Was ist das für eine Säule? Touristen wie Einheimische machen zur Sicherheit ein Handyfoto davon und gehen schulterzuckend weiter. Es handelt sich um ein sogenanntes Wetterhäuschen. Der Blickfänger im Wiener Rathauspark enthält ein Thermometer, ein Barometer und ein Hygrometer. Bildhauerin Maria Biljan-Bilger hat es mit bunten Keramikmosaiken verziert, die die zwölf Tierkreiszeichen darstellen. Das Wetterhäuschen wurde 1956 neu errichtet, weil das alte offenbar im Zweiten Krieg zerstört worden war. Ähnlich erging es auch anderen Wetterhäuschen in Wiener Parks. Die Stadtforschung sagt: „Einst stellten sie wichtige Treffpunkte im städtischen Getriebe dar, begehrte Informationsstätten, spezialisiert auf ein Thema, von dem schlichtweg alle betroffen sind: das Wetter.“
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App ins Museum! Der Audioguide ist Schnee von gestern
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie im Kunsthistorischen Museum Wien Besucherinnen und Besucher mit Smartphone in der Hand, Kopfhörer im Ohr und Grinser im Gesicht ein Gemälde genauestens studieren sehen. Sie lassen sich vermutlich von der App KHM Stories durchs Museum führen. Die neueste, mittlerweile zehnte Tour „Schnee von gestern“ geht dem Klimawandel auf die Spur. Details, die einem nie auffallen würden, Blicke hinter die Kulissen, Animationen der ehrwürdigen Gemälde und Objekte sowie das eine oder andere Quiz: So schaut man Rubens und Co. heute!
Erste Station: Bruegels „Jäger im Schnee“ aus 1565. Die Herren in der Bildmitte spielen am Handy tatsächlich Eisstockschießen. Dazu gibt’s unnützes Wissen: Der Winter des Jahres soll einer der kältesten gewesen sein. Berichte aus der Zeit erzählen von abgefrorenen Ohren, Füßen und Geschlechtsteilen.
Rubens zeigt mit der „Gewitterlandschaft“ die Gewalt des Unwetters in all seiner Grausamkeit. Wer ganz genau hinsieht, entdeckt auf dem drei Quadratmeter großen Gemälde nicht nur den Mann, der sich verzweifelt am Felsen festhält, sondern links unten auch den Regenbogen als Zeichen der Hoffnung – wie öfter in einem Rubens-Bild. Über die Jahrhunderte hat das Gemälde auf Eichenholz übrigens selbst unter den Klimaschwankungen gelitten. Es wurde vier Jahre lang restauriert.

Die Dogana in Venedig, 1730. Vor 300 Jahren war Venedig schon ein beliebtes Reiseziel. Nicht nur der Massentourismus, auch der Klimawandel setzt der Stadt heute zu. Das berühmt berüchtigte Aqua Alta – die Überschwemmungen im Winter – nimmt seit Jahren zu.
- Der Kannendeckel war mal ein Becher, der Griff ein Smaragdring: Die Onyx-Kanne in der Kunstkammer zeigt, dass Upcycling im 16. Jahrhundert schon in war. Sie sollte damals als Hochzeitsgeschenk Eindruck machen.
- Der freundliche Baum zeigt einem in der App den Weg zur nächsten Station. Er führt quer durch die Gemäldegalerie und in die Kunstkammer.
Ansprachen auf der Torte
Was hat es mit der Torte auf sich, die seit Wochen vor der Technischen Universität Wien im Resselpark steht? Es handelt sich um eine Plattform für Streitreden. Persönlichkeiten halten darauf anlässlich 100 Jahre Frauenstudium Vorträge zu Themen wie Machtstrukturen und Feminismus. Die Idee dazu hatten die beiden Künstlerinnen Barbara Holub und Christina Hohenbüchler. Warum eine Torte? Sie erinnert an ein Diagramm für Statistiken und der Zuckerguss steht fürs Schönreden.

Die Torte hat auch Karrierestufen – hinauf zum Rednerpult.
Aus Wein wird Vogelgesang
Drei mit Traubenmost gefüllte Glasgefäße sind derzeit bei den Stiegen im Wiener Konzerthaus aufgebaut. Es handelt sich um eine Klanginstallation der Künstler Enrico Ascoli und Hilario Isola. Durch die Gährung des Weins steigt Gas auf, das durch Honig gebunden ist und bei der Gefäßöffnung oben zerplatzt. Dadurch entstehen Geräusche, die wie Vogelgezwitscher klingen. Mit dieser Idee werden die Gäste im Konzerthaus auch in den Pausen in Staunen versetzt.

Die Klanginstallation wird mit Mikrofonen verstärkt
Tragische Szenen im Museum
Wir leben in einer Zeit, in der um Aufmerksamkeit gekämpft wird. Da müssen sich auch Museen neue Strategien einfallen lassen, um neues Publikum zu gewinnen. Das Weltmuseum Wien setzt nun jedenfalls genauso wie das Kunsthistorische Museum auf nächtliche Theater-Performances. Unter dem Titel „Die Macht der Dinge – Szenen zur Migration“ werden in Abendvorstellungen die Ausstellungsräume bespielt. Das Publikum wird dabei über den knarrenden Holzboden von Station zu Station geführt.
Bedrückende Geschichten
Neben den Sammlungsobjekten aus aller Welt, die manchmal wohl auch unter fragwürdigen Umständen nach Wien gelangt sind, erzählen Menschen unterschiedlicher Herkunft bedrückende Geschichten: Es geht um Menschen in Afghanistan, die todgeprügelt werden, um verschleppte Kinder und Organhandel, um gefolterte Feministinnen, um Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe in Österreich in der Schule, vor Gericht und beim Arzt diskriminiert werden, und auch um Frauen samt Babys, die bei ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrinken. Fazit: Ein bedrückender Abend im Museum, der zum Nachdenken anregt.

Die Erzählerinnen und Erzähler nehmen mit ihren Geschichten – mal mehr, mal weniger – Bezug auf die ethnografischen Ausstellungsobjekte.
Kunstvolle Liebe im Caritas-Lager
Giftige Schlangen, abgehackte Köpfe, nackte Körper: Oftmals kann man mit den historischen Gemälden im Kunsthistorischen Museum nicht viel anfangen. Um das zu ändern, stehen beim Ganymed-Projekt Künstlerinnen und Künstler vor den Werken und tragen Texte vor, musizieren, singen und tanzen. Die Gemälde erwachen sozusagen zum Leben. Dass diese Performances auch in anderem Ambiente funktionieren, zeigte sich am Donnerstag. Statt im Museum fanden sie in den Hallen des Carla Mittersteig statt.

Gänsehaut, wenn Mira Lu Kovacs im Caritas-Lager ihre Stimme erhebt.
Liebe und Geld gespendet
Zwischen gespendeten alten Büchern, Möbeln und Spielzeug wurde das Thema Liebe in sämtlichen Facetten behandelt. Das passt gut, immerhin bedeutet Caritas wörtlich übersetzt Liebe. Und es erzeugt auch eine besondere Stimmung, wenn abends zwischen Flohmarktware kunstvoll Geschichten erzählt werden. Fazit: Ganymed funktioniert nicht nur im elitären Kunstraum, sondern auch im echten Leben außerhalb der Museumsmauern. Den gleichzeitig ablaufenden Aufführungen hätte zwar ein bisschen mehr räumlicher Abstand gut getan, die Idee der Zweitverwertung von Ganymed in Love im Second-Hand-Laden ist aber prinzipiell eine geniale und ausbaufähige Idee. Hier wurde Liebe geschenkt – in Form von Kunst und Spendengeldern.
Nachts im Museum: Die Höhepunkte von Ganymed in Love
Wenn man in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums gemütlich am Boden, am Klappsessel oder auf der Couch sitzt und Musikern wie Schauspielern gebannt zuhört, wie sie Kunstwerke von Rubens, Caravaggio und Co. mit neuen Texten und Musik zum Leben erwecken… Das ist Ganymed! Dieses Jahr drehte sich alles um die Liebe.
Überraschend, beeindruckend, verstörend – die Highlights von Ganymed in Love:

Wenn Mira Lu Kovacs ihre großartige Stimme beim schaurigen Lied von Henry Purcell erhebt, kriecht das Haupt der Medusa quasi aus Rubens‘ Gemälde.

Das kleine Mädchen im Pyjama mit dem Teddy in der Hand erwischt seinen Vater mit heruntergelassener Hose vor dem Bildschirm mit eindeutigem Inhalt. Da bleibt einem kurz die Spucke weg. Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers ist ab jetzt wohl für immer die kleine Billie.

„Adam und Eva“ spielen ein geniales vierhändiges Klavierstück vor Hans Memlings gleichnamigem Bild.

Jean Philippe Toussaint fragt sich, was in Caravaggios Rosenkranzmadonna die vielen Hände sagen wollen. Vielleicht könnte jemand, der mit Gebärdensprache vertraut ist, das entziffern? Und so wird sein Text „Die Hände“ von vier Personen mit aufgeregten Gebärden unterstützt – Action pur.

Die Hl. Margarete von Raffael hat Martin Eberle zum torch song inspiriert. Klemens Lendl von den Strottern spielt die Geige und lässt sich bei der schrägen Nummer von Manaho Shimokawa mit Ausdruckstanz und langen Haaren einhüllen.

Auf Klarinetten-Seufzer und Kontrabass-Gekrächze folgt beim Stück „A Place in the Heart“ imitiertes Babygeheul und orientalische Musik. Da tut man sich schwer, die Verbindung zu Bruegels Bauernhochzeit herzustellen.

Rania Ali fragt vor Tizians Kirschenmadonna Leute aus dem Publikum direkt: „Do you know what love is?“, „Mothers love is always stronger, right?“, „Do you love yourself?“. Über eine der Erdbeeren – ein Symbol der Liebe – darf sich am Ende der Performance eine Dame aus dem Publikum freuen.

Schauspieler Peter Wolf erzählt im roten Jogger, was sich der Wiener Philosoph Franz Schuh zum Gleichnis vom verlorenen Sohn überlegt hat. Wie soll ein Vater zum Sohn sein? Gütig, streng, züchtigen? „Aus menschlicher Sicht müssen auch für den Großen Gott die Möglichkeiten, seine Kinder falsch zu erziehen, unendlich sein. Der Sohn Gottes ist für uns am Kreuz gestorben – das ist keine Kleinigkeit und es ist keine Kleinigkeit, einen solchen Tod für das Richtige zu halten.“

Nach Ganymed lässt es sich ganz anders über die Gemälde der großen Meister diskutieren!
Musik und Mode aus Tierhaut
In Wien gibt es Salonkonzerte im exklusiven Rahmen. Eines, der sogenannte Klang-Salon, fand diese Woche im Fernolendt-Haus statt – ein historisches Gebäude in der Landstraßer Hauptstraße, in dem einst die Dichterin Marie von Ebner Eschenbach gearbeitet hat.
Perkussionistin haut auf Haut
Unter dem Motto „Leder“ war ein Konzert der Perkussionistin Ingrid Oberkanins zu hören. Die Oberösterreicherin spielte auf zahlreichen Trommeln, Rasseln und anderen Instrumenten aus u.a. Kuh-Leder – und nahm sich selbst dabei mit einer Loop-Station auf. Höhepunkt war ein Stück, das sie für eine Dokumentation komponiert hatte, in der es um Flüchtlinge geht, die in Österreich Skifahren lernen. Zwischen den Stücken suchte Oberkanins mit viel Humor ihre Instrumente. „Die Hälfte eines Perkussionistin-Lebens besteht aus Herumwerken und Tragen“, erklärte sie.

Perkussionistin Ingrid Oberkanins beim 5. Wiener Klang-Salon
Fischleder als zweite Haut
Passend zum Thema war auch Sabina Brägger zu Gast. Die Schweizer Designerin findet es oft alles andere als schön zu wissen, woher die Materialien für Kleidung und Co. kommen. Sie fertigt ihre Mode daher selbst – und zwar aus Abfallstoffen. Genauer gesagt aus Störleder und Bisonwolle – nachhaltige Produkte, hinter denen sie stehen könne.
Wiens 20 schönste Street-Art-Wände
Die Stadt als Museum und Gebäude als Gemälde: Wer in Wien die Augen offen hält, kann dank Street-Art-Festivals wie Calle Libre riesige, professionelle Kunstwerke entdecken. Hier eine nicht vollständige Liste von Wiens schönsten Murals (Wandmalereien) und ein Video, das Simon Engl geschnitten und Simon Öggl vertont hat. Viel Spaß und Freude am Entdecken!

Ort: Richard-Waldemar-Park, Künstler: Stinkfish

Ort: Yppenplatz, Künstler: Annatomix

Ort: Wiedner Hauptstraße, links: Obrigada Kruella d’enfer, rechts. Eduardo Kobra

Ort: Strohgasse, Künstler: Artez

Ort: Schönbrunner Straße; Künstler: Alfalfa

Ort: Richard-Waldemar-Park, Künstler: Mantra

Ort: Brückengasse, Künstler: Nychos

Ort: Quellenstraße, Künstler: Nychos

Ort: Magdalenenstraße, Künstler: Evoca1

Ort: Ludwig-Hirsch-Platz, Künstler: Zesar Bahamonte

Ort: Josef-Strauss-Park, Künstler: Frau Isa

Ort: Hornbostelgasse, Künstler: Jana & JS

Ort: Gierstergasse, Künstler: Jana & JS

Ort: Felberstraße, Künstler: Cyrcle , Gaiastreetart

Ort: Emil-Maurer-Park, Künstler: Milu Correch

Ort: Brunnengasse, Künstler: BEZT – ETAM CRU

Ort: Breitenseer Straße, Künstler: Colectivo Licuado

Ort: Braunhirschenpark, Künstler: veraprimavera

Ort: Andreasgasse, Künstler: Millo

Ort: Amerlingstraße, Künstler: ROA
Noch ein Tipp: Einen aktuellen Überblick über Wiens Street-Art bietet Vienna Murals.
Wiener Kirche mit Lego „saniert“
Die Canisiuskirche am Alsergrund ist sanierungsbedürftig. Das zeigt nicht nur die steinerne Petrus-Statue, die aus Sicherheitsgründen abgebaut werden musste und jetzt im Pfarrgarten liegt. Davon zeugt auch die bröckelnde Kirchenmauer. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, hat der Berliner Street-Art-Künstler Jan Vormann gemeinsam mit Kindern einige Fassadenrisse mit Lego-Steinen saniert. Leider fehlen inzwischen schon einige Teile. Bei Street-Art handelt es sich eben um vergängliche Kunst.

„Wind und Kinder“ bezeichnet „Denkmalpfleger“ Jan Vormann als Gefahr für Lego-Kunst.

Mehrere Kilo an Legosteinen sind in der Kirche verbaut worden.
Buchtipp: Pater Martin: Helfen. Lachen. Freude machen – Lustige und spannende Kurzgeschichten über die Abenteuer eines Franziskaners.

