Maria Muhar: Überleben mit Galgenhumor

In „Storno“ spielt Maria Muhar mehr oder weniger sich selbst. Die 36-Jährige arbeitet an einem Roman – und hält sich mit Gastrojobs und AMS finanziell über Wasser. „Ein Steuerberater ist eigentlich ein Bildhauer. Du bringst ihm einen Haufen Schrott und er macht dir daraus ein abstraktes Kunstwerk!“

Während sie in der Nacht mit Energiedrink in der Hand die schlafenden Kinder ihrer Freundin hütet, erzählt sie von Catcalling, Frauenärztin, Politik („Die ÖVP hasst Frauen, aber Flüchtlinge noch mehr…“) und Überforderung. „Ist das Leben zu kurz um Kinder zu kriegen oder zu kurz, um keine zu kriegen?“ Wer sich dafür entscheidet, brauche blinden Optimismus und Gelassenheit. „Einfach mal gechillt vermehren – zwischen Apokalypse, Patriachat und Atomkrieg.“

Fazit: Maria Mahur bringt mit „Storno“ im Kabarett Niedemair ein brutal gutes Theaterstück auf die Kabarettbühne – mit Galgenhumor und fesselnder Geschichte, bei der nicht klar ist, ob sie gut ausgeht. „Irgendwann kommen sie mir drauf“, sagt Muhar nachdenklich. Man möchte ergänzen: „Wie großartig ihr Debüt ist!“

Im echten Leben hochoffiziell Künstlerin: Maria Muhar hat neben ihrem Kabarettdebüt gerade ihren Debütroman „Lento Violento“ im Verlag Kremayr und Scheriau veröffentlicht.

Circus Roncalli – Eintauchen ins Wunderland

Welch Freude! Ein Zirkus ausnahmsweise vor dem Rathaus! Und was für einer – der Circus Roncalli, laut New York Times „der schönste Zirkus der Welt“. Historische Zirkuswägen und Kostüme, Clowns und Live-Orchester, Hologramme statt Tiere, die Mischung zwischen Nostalgie und Spektakel – das alles kann schon was.

Für die Vorstellungen in Wien hat Zirkusprinzessin Lili Paul-Roncalli eine neue Tanznummer auf einem Billard-Tisch einstudiert. Publikumsliebling bei der Premiere am Mittwoch war allerdings der junge Clown Chistirrin aus Mexiko, der mit dem Mund Tischtennisbälle jongliert – und zum Glück dabei nicht erstickt. Standing Ovations gab es für die Acero-Brüder aus Kolumbien, die auf einem Podest mit einem unglaublichen Kopfstand begeistern. „Kopf an Kopf“ bekommt hier eine neue Bedeutung. Fazit: Wer in die wunderbare Welt des Circus Roncalli eintaucht, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.

Prominente Showeinlage am Billard-Tisch von Lili Paul-Roncalli
Die Liebe zum Detail machen die Zirkusstadt Roncalli zum Erlebnis

Tragische Szenen im Museum

Wir leben in einer Zeit, in der um Aufmerksamkeit gekämpft wird. Da müssen sich auch Museen neue Strategien einfallen lassen, um neues Publikum zu gewinnen. Das Weltmuseum Wien setzt nun jedenfalls genauso wie das Kunsthistorische Museum auf nächtliche Theater-Performances. Unter dem Titel „Die Macht der Dinge – Szenen zur Migration“ werden in Abendvorstellungen die Ausstellungsräume bespielt. Das Publikum wird dabei über den knarrenden Holzboden von Station zu Station geführt.

Bedrückende Geschichten
Neben den Sammlungsobjekten aus aller Welt, die manchmal wohl auch unter fragwürdigen Umständen nach Wien gelangt sind, erzählen Menschen unterschiedlicher Herkunft bedrückende Geschichten: Es geht um Menschen in Afghanistan, die todgeprügelt werden, um verschleppte Kinder und Organhandel, um gefolterte Feministinnen, um Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe in Österreich in der Schule, vor Gericht und beim Arzt diskriminiert werden, und auch um Frauen samt Babys, die bei ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrinken. Fazit: Ein bedrückender Abend im Museum, der zum Nachdenken anregt.

Macht der Dinge im Weltmuseum

Die Erzählerinnen und Erzähler nehmen mit ihren Geschichten – mal mehr, mal weniger – Bezug auf die ethnografischen Ausstellungsobjekte.

Affären und Gelage: Grissemann liest historisches Tagebuch

Samuel Pepys ist für sein Tagebuch berühmt geworden. Er war Beamter des Londoner Flottenamtes im 17. Jahrhundert und hat in Geheimschrift mehrere tausend Seiten geschrieben. Hemmungslos und humorvoll erzählt er von seinen Affären mit den Dienstmädchen, von den nächtlichen Streitereien mit seiner Frau, von der Pest, von Bränden, Trinkgelagen und davon, wie er in fremden Häusern in den Kamin kackt.

Verdauungsprobleme als Begleitmusik 
Im Kabarett Niedermair schlüpft nun Christoph Grissemann in die Rolle des akribischen Tagebuchschreibers. Mit hässlicher Perücke und schöner Radiostimme liest er die besten Tagebuch-Passagen vor. Begleitet wird er vom Klangkünstler Manfred Engelmayr, der seine E-Gitarre mit Staubwedel, Geigenbogen, Schnapsglas und anderen Materialien bearbeitet. Wenn Grissemann von Pepys Verdauungsproblemen erzählt, pfurzt Engelmayr Töne aus der Posaune.

Historisches humorvoll als Hörspiel
So schaffen die beiden ein einstündiges szenisches Hörspiel, das kurzweilig unterhält und äußerst humorvoll-bedrückende Einblicke in die englische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts gibt. Bis Jahresende nur noch dreimal zu sehen!

Grissemann und Engelmayr im Kabarett Niedermair

Conchita Wurst im Doppelpack? Nein, Grissemann & Engelmayr bei ihrer „Samuel Pepys Show“

Ablästern im Volkstheater

[von Bernhard Kobler] Das Volkstheater hat seine Pforten wieder geöffnet und beweist mit Molieres Komödie „Der Menschenfeind“, dass sich der Besuch wieder lohnt. Regisseur Felix Hafner versteht es, den 300 Jahre alten Stoff modern und mit viel Komik auf die Bühne zu bringen. „Menschenfeind“ Alceste, gespielt von Lukas Holzhausen, will immer die Wahrheit sagen, die natürlich niemand hören will. Gerade deshalb hat es der Protagonist sehr schwer, in seiner Welt voller Heuchler und Falschheit. Kaum verlässt eine Figur die Szene, wird schamlos abgelästert.

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Auf der Volkstheaterbühne wird gelästert und geschimpft.

Der durchwegs gereimte Text wirkt zunächst irritierend, wird aber nach kurzer Zeit zum wichtigen Element für den schnellen und kurzweiligen Rhythmus – und sorgt durch charmante Wortwitze für viele Lacher. Auch der Blick auf die gereimten, englischen Obertitel lohnt sich. Nach rund 90 Minuten ist der Spaß vorbei, bei dem jeder verliert, nur nicht der Theatergast. Eine Ode an die Falschheit!

Buchtipp: „Pater Martin 2“ von Florian Kobler – rund 80 neue Anekdoten und Abenteuer des beliebten Franziskanermönchs. Mit humorvollen Comics von Georg Atteneder.

„Idealer Gatte“ als Russland-Satire

Warum setzen sich Ende Mai tausende Menschen in Wien freiwillig in eine dunkle Halle und sehen sich dort ein vierstündiges Theaterstück – auf Russisch mit deutschen Untertiteln – an? Schuld sind die Wiener Festwochen: Am Programm steht der „Der ideale Gatte“, eine Produktion des  Tschechow Künstlertheaters Moskau. In Konstantin Bogomolovs Fassung spielt Oscar Wildes Komödie jedoch nicht in London, sondern in Russland. Auch die Geschichte weicht vom Original ab: Ein schwuler Schlagerstar hat eine Beziehung mit einem Minister – und wird mit einem Sexvideo erpresst.

Bogomolov kritisiert mit seinem Stück die offizielle russische Einstellung zur Homosexualität, die Korruption, den Nationalstolz, die reiche Gesellschaft, die Olympischen Spiele in Sotschi, den Kreml. Es ist eine Inszenierung, die Politiker in Russland angeblich gerne verbieten würden, aber aufgrund des großen Erfolgs beim Publikum nicht können. Auch in Wien sitzen sehr viele Russen im Publikum.

Der Ideale Gatte

Applaus für ein mutiges Ensemble im MuseumsQuartier

Keine Frage, vier Stunden sind eine lange Zeit. Aber die Schauspieler spielen hervorragend. Stück sowie Inszenierung sind zudem äußerst unterhaltsam: Es wird getötet, gesungen und amerikanische Popmusik gespielt, es wird auf der Bühne mitgefilmt und live auf Leinwand übertragen, es gibt Rückblenden, Videoeinspielungen und skurrile Werbeunterbrechungen. Zusätzlich wird die Geschichte mit Anspielungen, Zitaten und Kommentaren aus „Faust“, „Romeo und Julia“, „Drei Schwestern“ und „Dorian Gray“ aufgepeppt.  Zwei Zitate, die in Erinnerung geblieben sind: „Frauen sind ein dekoratives Geschlecht“ (Oscar Wilde) oder „Frauen inspirieren uns zu großen Dingen und hindern uns dann, sie auszuführen“ (Alexandre Dumas der Jüngere). Fazit: Ein unkorrekter, böser, hochpolitischer Theaterabend, der jede Menge Spaß macht.

Buchtipp: „Pater Martin 2“ von Florian Kobler – rund 80 neue Anekdoten und Abenteuer des beliebten Franziskanermönchs. Mit humorvollen Comics von Georg Atteneder.

Ballett-Weltstars sorgen für Wow-Effekt

Ballett – klingt fad, alt und nach Tutu. Doch hin und wieder sollte man das Risiko eingehen und sich eine Tanzvorstellung ansehen. Zum Beispiel in der Wiener Staatsoper. (Die hat angeblich einen ganz guten Ruf…) Gestern Abend standen Choreografien von Hans van Manen, Alexander Ekman und Jiří Kylián am Programm. Also drei Stücke von völlig unbekannten Leuten – mit zwei Pausen. Das hält man aus! Mehr noch. Das war großartig!

Hans van Manen, Alexander Ekman, Jiří Kylián

Beim ersten Stück: „Adagio Hammerklavier“ wird harmonische Musik mit schönen Tanzfiguren verbunden. Beim zweiten Stück kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus: Stomp-Rhythmus-Einlagen, Pantomime, Humor, Theater, Clownerie und ein Streichquartett auf der Bühne. Ein Wahnsinn! Beim dritten Stück gibts dann noch offenes Feuer und oberkörperfreie Balletttänzerinnen. Also für jeden was dabei! Fazit: Wer nicht hin und wieder in die Staatsoper geht, der überlässt den Touristen das Beste an Wien.

Buchtipp: „BlöZinger – Und davon kann man leben?“ von Florian Kobler – ein humorvolles Taschenbuch über das schrägste Clown- und Kabarettduo Österreichs.

Wiener Kabarett mit Schnitzel

Der Gschupfte Ferdl„,  „Tröpferlbad„, „Der Papa wird’s schon richten„, „Taubenvergiften„, „Telephonbuchpolka“ oder „Wien ohne Wiener“ – die bekanntesten Lieder von Helmut Qualtinger (geschrieben von Gerhard Bronner), Peter Wehle, Georg Kreisler und Pirron & Knapp werden derzeit im Vindobona aufgeführt. Es singen der „dicke“ Karl Maria Kinsky und der „dünne“ Peter Fernbach, begleitet werden sie von der Prof. Hans Hausl & Combo.

Peter Fernbach und Klaus Maria Kinsky mit Prof. Hans Hausl & Combo im Vindobona

Peter Fernbach und Karl Maria Kinsky mit Prof. Hans Hausl & Combo

Dem Publikum wird auch kulinarisch etwas geboten: Die Erbsencremesuppe und das Kalbsbutterschnitzel in Rahmsauce mit Spargel und Kartoffelpüree schmecken herrlich. Fazit: Ein durchwegs amüsanter Liederabend, eine Zeitreise in das alte Wiener Kabarett – wenn auch eine lange, denn das Dessert, der Milchrahmstrudel mit Vanilleschaum und Pistazieneis, gibt’s erst nach 22.30 Uhr.

Buchtipp: „BlöZinger – Und davon kann man leben?“ von Florian Kobler – ein humorvolles Taschenbuch über das schrägste Clown- und Kabarettduo Österreichs.

Volltreffer im Kabarett

Selbst am Klo wird man im Theater am Alsergrund bestens unterhalten. Denn am Pissoir darf Mann – sagen wir einmal – so etwas wie Elfmeterschießen. Hinter dem spielerischen Vergnügen steckt – wie so oft im Kabarett – jedoch MEHR. Denn seitdem das Tor im Pissoir installiert ist, hat sich die Treffergenauigkeit erhöht. „Zumindest ein bisschen“, meint Theaterchef Michi Auernigg.

Jetzt mal ehrlich: Wer fotografiert ein Pissoir?
Jetzt mal ehrlich: Wer fotografiert ein Pissoir?

Buchtipp: „BlöZinger – Und davon kann man leben?“ von Florian Kobler – ein humorvolles Taschenbuch über das schrägste Clown- und Kabarettduo Österreichs.

„Kopfwaschpulver“ in Bildern

Robert Blöchl und Roland Penzinger kämpfen, lieben, saufen, spielen, singen, fliegen – und das alles an einem Abend! Wer  BlöZingers neues Programm „Kopfwaschpulver“ noch nicht gesehen hat, sollte dieses Versäumnis dringend nachholen. Hier ein paar Eindrücke von einer höchst unterhaltsamen Vorstellung im Theater am Alsergrund:

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Buchtipp: „BlöZinger – Und davon kann man leben?“ von Florian Kobler – ein humorvolles Taschenbuch über das schrägste Clown- und Kabarettduo Österreichs.