Nini Hölzl: „Wir haben unser Glück selbst in der Hand“

Kabarettistin Nini Hölzl hat 2024 den TV-Kabarettwettbewerb Ennser Kleinkunstkartoffel gewonnen. Im Interview erzählt die hauptberufliche Psychologin, warum Humor in schwierigen Zeiten umso wichtiger ist, wie sie ihren „Waldbade-Orgasmus“ probt und warum wir unser Glück zu einem großen Teil selbst in der Hand haben.

Welche Reaktionen hast du auf den Kartoffel-Sieg bekommen?

Vor allem hab ich viele Reaktionen bekommen. Ich habe gemerkt, dass die Ennser Kleinkunstkartoffel weit über Oberösterreich hinaus bekannt ist. Vor allem nach der Ausstrahlung auf ORF III haben mir viele Leute gratuliert. Da ich bei der Preisverleihung im Scherz gesagt habe, dass ich mir einen Jahresvorrat an Kartoffeln erwartet hätte und dies die Oberösterreichischen Nachrichten gedruckt haben, habe ich zuhause einen 5-Kilo-Sack Kartoffeln vorgefunden mit der Nachricht „Leider kein Jahresvorrat, aber ein Anfang“. Und ein ganzes Paket mit Produkten aus Kartoffeln hab ich auch bekommen! 

Nini Hölzl: „Teilzeit-Kabarettistin“ und Siegerin der Ennser Kleinkunstkartoffel 2024

Warum machst du eigentlich Kabarett?

Das Kabarett ist mir irgendwie passiert. Mein Debüt hatte ich 2019 beim Talente-Wettbewerb des Wiener Kabarettfestivals, den ich gewonnen habe. Da hab ich gemerkt: das macht mir Spaß, auf der Bühne fühl ich mich wohl, da kann ich mich ausprobieren und nebenbei meinen inneren Kritiker austrixen, der immer sehr streng auf mich schaut und Höchstleistungen von mir erwartet. Aber Perfektion, die einen davon abhält zu scheitern, macht Kabarett unlustig. Insofern hat die Bühne auch eine therapeutische Wirkung für mich.

Was macht für dich den Reiz dieser Kunstform aus? Vor Leuten stehen – und etwas erzählen…

In meiner Arbeit als Trainerin und Coach stehe ich ja auch vor Leuten und erzähle etwas – aber immer ein wenig „gefiltert“, mit einer professionellen Haltung, mit Empathie, mit Fokus auf die Klient:innen. Auf der Bühne kann ich viel „egoistischer“ sein. Da geht’s mir in erster Linie darum, dass es mir gut geht, dass ich Freude habe. Und je mehr ich darauf achte, dass es für mich passt, umso mehr hören die Menschen zu und sind auch bewegt von dem, was ich sage. Dann haben alle was davon. Das macht es für mich aus.

Du thematisierst Veränderungen, die ja oft von Sorgen und Ängsten begleitet werden. Wie gehst du selbst damit um? Welchen Rat hast du?

Freunde sagen mir eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit schwierigen Situationen nach. Wenn dem so ist, dann hab ich mir diese aber hart erarbeitet. Hart erarbeitete Leichtigkeit. Ich beschäftigte mich persönlich und beruflich seit vielen Jahren mit Positiver Psychologie, mit Embodiment, mit hypnosystemischen Konzepten, auch mit Spiritualität und mit Humor. Das hinterlässt irgendwann Spuren.

In meinem Programm gebe ich zu diesem Thema viele hilfreiche Anregungen. Da gibt es nämlich einiges, was wir tun können. Wir haben unser Glück Großteils selbst in der Hand, was für manche gar nicht so eine erfreuliche Nachricht ist, aber mittlerweile vielfach wissenschaftlich erforscht ist. Wir können jeden Tag aufs Neue entscheiden, mit welchem Gesicht, mit welcher Einstellung wir durchs Leben gehen wollen, ob wir andere angranteln oder anlächeln. Wir können selbst entscheiden, wie viele Schreckensnachrichten wir uns reinziehen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Wir haben es in der Hand, ob und wie oft wir Sudern und Jammern oder dankbar sind für das was JETZT ist.

Manchmal hilft es auch, die Dinge ein wenig in Relation zu betrachten. Wir leben unter Umständen, die nur ein kleiner Prozentsatz der Weltbevölkerung vorfindet. Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bei uns kommt es aus der Leitung – von kalt bis kochend, mit oder ohne Sprudel. Ich sag, freu dich, wenn du allein und sicher aufs Klo gehen kannst – das können mehr als vier Milliarden Menschen nicht. Sorgen und Ängste sind immer zu würdigen, aber auch ihnen darf man mit Humor begegnen.

„Lachen hilft immer“, sagt Nini Hölzl, „auch in unpassenden Situationen.“

Binnen-I, faule Jugend, keine Geschäfte mehr am Land – wie wählst du Themen aus? 

Ich suche die Themen nicht, ich finde sie nicht einmal. Sie sind einfach da. Ich wähle dann jene Themen aus, die mich selbst am meisten betreffen oder beschäftigen. Und jene, die ich unbedingt mit jemanden teilen möchte. Zum Beispiel, wenn im Unternehmensseminar 50-jährige Burnout-Genesene nach dem dritten Herzinfarkt darüber jammern, dass die Jungen nicht mehr bereit sind, 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Oder die Nachbarn, die im Garten die Bäume fällen lassen, damit sie dann eine superteure Beschattungsanlage installieren. Oder dass ich eine Freundin habe, die über eine App die Klobrille vorwärmen kann. Sowas muss man doch jemandem erzählen.

Dein „Waldbade-Orgasmus“ erinnert ein bisschen anHarry und Sally“. Wie probt man das? Wie bereitest du dich auf Auftritte vor?

Der Waldbade-Orgasmus ist bei einem Auftritt spontan auf der Bühne entstanden. Da dachte ich, das könnte ich jetzt ein wenig ausspielen und so ist das gekommen.  Auf der Bühne bin ich im Flow – da trau ich mir sowas. Da muss ich sogar eher darauf achten, dass es nicht unkontrolliert mit mir durchgeht und ich mir nur mehr selber zuschaue und mich wundere.

Für Enns hab ich die Szene aber extra geprobt. Auf der Hinfahrt im Auto mit meinem Mann. Er ist gefahren und ich hab am Beifahrersitzt geübt. Ich hab ihn dann immer wieder gefragt: „Macht’s dir was aus, wenn ich den Orgasmus nochmal übe?“ Das war echt witzig, zumindest für mich.

Generell bereite ich mich auf Auftritte so vor, dass ich dann Tage vorher einzelne Passagen oder Szenen übe – wann immer das möglich ist. Im Auto, beim Kochen, beim Zähneputzen, beim Einkaufen. Mit vielen Unterbrechungen, so dass ich nie das Gefühl habe, ich habe richtig geprobt. Die wichtigste Vorbereitung für mich ist ohnehin das „in die Freude kommen“, meine innere Freude zu aktivieren, mich daran zu erinnern, dass es um Leichtigkeit geht, dass ich eine „geile Sau“ bin (Insider aus meinem Programm) und dass ich nicht nach jedem zweiten Wort „goi“ sage!  Der Rest kommt dann schon.

Kriege, Inflation, Politik – wie wichtig ist Humor in den aktuellen Zeiten?

Je schwieriger die Zeiten, umso wichtiger der Humor. Die Wirkung von Humor ist ja mittlerweile gut erforscht. Wer humorvoll durchs Leben geht, kann auch mit Stress besser umgehen, kann auch mehr leisten. Humor bringt Probleme auf Distanz. Humor ist eine innere Einstellung, eine Charakterstärke, die man auch trainieren kann.

Lachen hilft immer. Auch in unpassenden Situationen. Lachen kann eine kathartische Wirkung haben. Es befreit, transformiert, heilt. Ich war auf der Clownschule, da hab ich viel über Humor und vor allem über mich gelernt. Clowns wie Jango Edward oder Laura Herts find ich großartig. Ich selbst kann am meisten über Banalitäten, über Nebensätze, über das scheinbar Unwesentliche lachen.

Wie gehts bei dir weiter? Wirst du als Kabarettistin auch TikTok und Co. bedienen?

Ich hoffe sehr, dass es weiter geht, dass ich noch auf vielen Bühnen vielen Menschen eine gute Zeit bereiten kann. Von mir aus darfs auch was Großes werden. Aber so, dass auch noch anderes in meinem Leben Platz hat. Ein Wunsch ist, dass ich mich auf der Bühne noch mehr austobe, auch den Clown noch mehr mitspielen lasse. TikTok und Co…ich bin in den 70-ern geboren, ich bin halt kein Digital Native. Man findet mich ein bisschen auf Facebook und sonst viel lieber live in persona. Ich finde, es ist so aufwendig, die sozialen Medien zu bedienen – das freut mich überhaupt nicht – da komm ich dann nicht mehr zu der Arbeit, die mir taugt. Aber wer weiß wo ich noch auftauche…

Vielen Dank für das Interview!

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KulturbloggerBuchtipp: Inge – Bomben, Schmuck und Strümpfe – eine spannende Familiengeschichte zwischen Gablonz und Steyr. Einblick ins Buch.

Kartoffel für das größte Kabaretttalent

Neues Jahr, neue Ennser Kleinkunstkartoffel: Der beliebte Kabarettwettbewerb findet heuer am Samstag, 9. März, um 19 Uhr in der Stadthalle Enns statt. Mit dabei sind Moderator Clemens Maria Schreiner („Fakt oder Fake“) und Senkrechtstarterin Chrissi Buchmasser als Showact. Dazu werden folgende sechs Kabarettistinnen und Kabarettisten je zehn Minuten lang ihr Können beweisen: Nini Hölzl, Lukas Wiesner, Dan Knopper, Lorenz Hinterberger, Alexander Hechtl und Lydia Neunhäuserer. Wer den meisten Zuspruch vom Publikum bekommt, gewinnt die begehrte „Kleinkunstkartoffel“-Trophäe. Vorverkaufskarten sind ab sofort in der Bürgerservicestelle Enns um 15 Euro sowie online erhältlich.

RaDeschnig spielen bis zum Untergang

Draußen Untergang, drinnen Unterhaltung: Was das Streichquartett auf der Titanic vorgemacht hat, führt das Kabarettduo RaDeschnig nun heldenhaft fort. Im neuen Programm „Säulenheilig“ sitzen die beiden Zwillingsschwestern Nicole und Birgit RaDeschnig jede aktuelle (und politische) Katastrophe aus. („Unsere Sitze werden besser, unsere Haltung schlechter.“)

Sie nehmen Klarinette, Akkordeon und Lachsbrötchen zur Hand – und schwimmen synchron durch den Pädagogik- und Pfegebereich („Mir geht die Luft aus“). Sie tragen Mikrodramen vor – etwa zum Thema Artensterben („Auster-Traum“) und zeigen auf, wo Kinder abstürzen („Schaukel, Fenster, Mittelstand“). Vom Geflügel-Charity-Clubbing („Ente gut, alles gut“), einer solistisch virtuos vorgetragenen US-Hymne für Celebreties im Gailtal („Sie waren da, der Winter nicht“) bis zum Gemeinschafts-Pop-Projekt „Austria for heritage“ („Wenn der Nachlass nachlässt“) – RaDeschnig geben für ihr Publikum alles!

Fazit: Sie sind Heldinnen, wie wir sie spätestens seit der Pandemie kennen. Als systemrelevantes Kabarettduo, das sich in den Dienst der guten Sache stellt, bekommen Nicole und Birgit RaDeschnig nun endlich das, was sie verdienen: Applaus!

Synchronschwimmen im Kabarett Niedermair – Nicole und Birgit RaDeschnig (Regie: Magda Leeb)

Bernhard Viktorin gewinnt 16. Ennser Kleinkunstkartoffel

Victory for Viktorin: Der renommierte TV-Kabarettpreis Ennser Kleinkunstkartoffel geht heuer an Bernhard Viktorin. Der Sänger, Schauspieler und Kabarettist konnte am Samstagabend in der Stadthalle Enns mit einem Plädoyer gegen das „Schwarz-Weiß-Denken“ und seinem „vereinenden“ Mitmachlied „Manche aber schon“ die meisten Stimmen des Publikums für sich gewinnen. „Ich habs geschafft! Jetzt kann ich in Pension gehen“, lacht der 39-jährige Wiener, der sich über Auftritte auf ORF III und im Kulturhof Linz freuen darf. „Ich glaub, ich mach doch noch ein bisschen weiter. Jetzt geht’s los!“

Ebenso viel Applaus bekamen an diesem hochkarätig besetzten Kabarettabend die anderen Finalistinnen und Finalisten der Kleinkunstkartoffel Michael Bauer, Anja Grinschgl, John Smile, Ina Jovanovic und Sandro Swoboda. Durch die Show führte TV-Moderator Clemens Maria Schreiner. Als Showact strapazierte Kabarett-Shootingstar Benedikt Mitmannsgruber die Lachmuskeln. Ein Best-of des Kabarettpreises wird am 2. März um 22.55 auf ORF III ausgestrahlt – uns ist danach in der ORF TVthek zu sehen.

Starkes Line-Up der Kleinkunstkartoffel 2023: Clemens Maria Schreiner, Benedikt Mitmannsgruber, Ina Jovanovic, Anja Grinschgl, Michael Bauer, Sandro Swoboda und John Smile.

Pater Martins neues Buch: „Humor ist unverzichtbar!“

Er hat einst irrtümlich das Klosterauto im See versenkt, ein falsches Gebiss gesegnet, eine Braut mit einem Hammer gerettet, seinen Ordensbrüdern Streiche gespielt, per Autostopp das Land bereist und beim Pilgern und Bergsteigen für kleine Wunder gesorgt. Es gibt wohl hunderte Erzählungen über Pater Martin Bichler, dem lebensfrohen Franziskanermönch mit dem ansteckenden Lachen. In einem neuen „Best-of“-Taschenbuch erzählt Pater Martin seine Lieblingsgeschichten – und verrät neue Anekdoten aus seiner Heimat Osttirol, die bestimmt ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Kulturblogger.com hat Pater Martin zum Interview gebeten:

Lieber Pater Martin, warum erzählst du diese Geschichten?

„Lustige Geschichten bringen Menschen zum Lachen – das gefällt mir! Humor kommt vom lateinischen Wort Humus – also Erde. Humor erdet!“

Krieg, Krisen, Klimawandel, Corona – braucht es in diesen Zeiten dieses Buch?

„Humor ist gerade in Krisenzeiten unverzichtbar. Humor und Lachen verschaffen Distanz zum herausfordernden und schwierigen Alltag.“

Was ist deine Aufgabe als Franziskaner? Wie passt dein Humor dazu?

„Als Franziskaner bin ich mit Menschen in allen Lebenslagen unterwegs. Humor und Lachen kann oft eine Hilfe sein. Damit geht manches leichter.“

Wie geht es dir als Pfarrer in Lienz/Osttirol?

„Osttirol ist meine Heimat. Als Franziskaner ziehen wir Ordensbrüder wie unser Ordensgründer Franz von Assisi immer wieder weiter in die nächst Niederlassung. Lienz/Osttirol ist ein Heimspiel für mich.“

Am Buchcover bist du mit „Gehstock“ zu sehen? Bist du alt geworden?

„Es handelt sich nicht um einen Gehstock, sondern um einen Pilgerstab. Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine bin ich mit einigen Leuten spontan pilgern gegangen. Man fühlte sich so hilflos. Durch das Pilgern bewege ich mich selbst. Es bewegt auch etwas in mir und rund um mich herum.“

Erlebst du nach wie vor so viel? Wie kommt das?

„Mein Lebensmotto ist ein Spruch vom heiligen Spaßmacher Philipp Neri: ‚Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen‘. Da ist es kein Wunder, dass man viel erlebt.“

Was hat es mit dem Autostoppen auf sich? Hobby, Einstellung oder Notwendigkeit?

„Autostoppen ist umweltfreundlich. Häufig nehmen mich Menschen mit, die eh schon einmal mit mir oder einem Ordensmann reden wollten. Da ergeben sich am Weg sehr interessante Gespräche, auch seelsorgliche Gespräche. Manchmal ist unser Klosterauto besetzt, dann sag ich zu meinen Mitbrüdern: ‚Macht euch keine Sorgen. Ich komme da auch gut per Autostopp hin!'“

Wer wird mit deinem Buch Freude haben, wer weniger?

„Wer Humor hat und auch ein wenig Spaß versteht, wird damit Freude haben. Die anderen sollten es gleich gar nicht lesen. Wenn sie es trotzdem lesen, laufen sie Gefahr lachen zu müssen…“

Das Buch „Pater Martin – Die besten Geschichten“ erscheint am 24. November im Freya Verlag. Es ist in allen Buchhandlungen sowie im Internet um 14,90 Euro bestellbar.

Romeo Kaltenbrunner: „Wusste gar nicht, was Kabarett ist“

Romeo Kaltenbrunner ist „Innovationsmanager“ bei der Stadt Wien und schreibt gerade an seinem ersten abendfüllenden Kabarettprogramm. Es geht um den Neuanfang nach einer Beziehung, den Kampf zwischen Großstadt und Dorf, Rassismus und den starken Glauben an die Digitalisierung, „denn gepriesen sei das ewige Wachstum. Amen.“ Mit einer Kostprobe davon gewann der 34-Jährige soeben die Ennser Kleinkunstkartoffel.

Pointen, die verbinden

Für seine Pointen beobachtet der gebürtige Linzer das Verhalten von Menschen – und hört ihnen gut zu. Wenn er auf der Bühne etwa von seiner reichen „Exfreundin aus Döbling“ erzählt, kommt die Inspiration dazu aus seinem Umfeld: „In meinem Bekanntenkreis sind im ersten Coronajahr einige Langzeitbeziehungen, sogar Verlobungen, zu Ende gegangen. Die Gründe waren auf den ersten Blick unterschiedlich, auf der anderen Seite aber wieder sehr ähnlich.“ Er möchte Menschen „über Generationen, Geschlechter und Herkunft hinweg verbinden und aufzeigen, dass wir uns alle ähnlicher sind, als wir glauben.“

Der überraschte Bruder

Für Kaltenbrunner muss Kabarett „politische und gesellschaftliche Entwicklungen durch Überspitzung kenntlich machen. Das Publikum soll lachen und dann über die Message nachdenken.“ Mit dem Sieg bei der Ennser Kleinkunstkartoffel rückt er vielleicht dem Traum „Kabarettist auf Vollzeitbasis“ ein Stück näher. Wobei – als er seinem fast 18 Jahre jüngeren Bruder sagte, dass er jetzt so etwas Ähnliches wie Comedy macht, meinte dieser darauf nur: „Wusste nicht, dass du lustig bist“. 

TV-Hinweis: 3. März 2022 – 22.50 Uhr „Ennser Kleinkunstkartoffel“ auf ORF III

Romeo Kaltenbrunner gewann 2022 die Ennser Kleinkunstkartoffel

Spitzen-Kabarett zur Omikron-Spitze

Die Kabarettisten Thomas Maurer und Christof Spörk haben mitten in der Omikron-Welle mit ihren neuen Progammen Premiere gefeiert. Der Wiener Stadtsaal war jeweils gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Wenig verwunderlich bei täglichen Corona-Neuinfektionen im vier- bis fünfstelligen Bereich. Maurer widmet sich in seinem Programm „Zeitgenosse aus Leidenschaft“ als Leidensgenosse der Zeit dem Klimawandel, der Selbstoptimierung und dem damit verbundenen schlechten Gewissen. „Eine Leberkässemmmel? Wie kommt die da her? Die kann ich eigentlich nicht gekauft haben, weil ich seit Jahren kein Fleisch mehr aus Massentierhaltung konsumiere. … Ich dürfte einen Hunger gehabt haben“. Ein ethisches Dilemma, „weil essen wollte ich sie nicht wollen.“

Rauchen ist wie zu enge Schuhe tragen und sie immer wieder für eine Stunde auszuziehen, sagt Maurer. Dasselbe Gefühl der Erleichterung!

Christof Spörk hat sein neues Programm „Dahaam“ getauft. „Ich hab gedacht, falls ich mitten in einen Lockdown reinkomme, heißt das Programm genauso wie der Aufführungsort der Premiere.“ Der ehemalige Global Kryner geht das Thema Corona auf der Bühne positiv an, argumentiert, warum es „noch nie so geil war, in einer Pandemie zu leben wie jetzt“ und bietet vor allem grandios-verspieltes Musikkabarett. Ist dieses Programm empfehlenswert? Die Antwort lautet wie auf jede Cookie- und Datenschutzgrundverordnungsanfrage: „Ich stimme zu!“

Christof Spörk ist ein „Bandmensch“ – und hat sich den bassionierten Schlagzeuger und schlagfertigen Bassisten Alberto Lovison mit auf die Kabarettbühne geholt. „Ein Glücksgriff!“

Schreiner feiert wie sonst keiner

Wenn Clemens Maria Schreiner eine Party schmeißt, spielt die alle Stückl – inklusive der „drei Fs einer jeden ruralen Disney-Hochzeit: Feuerwerk, Fassbier, Fotobox“. Mit seinem neuen Programm „Krisenfest“ feierte er diese Woche im besten Sinne des Wortes Wien-Premiere im Kabarett Niedermair. Mit speziellen (nämlich virtuellen) Gästen ist es auf seiner Party besonders lustig, darunter Poppi, die sich mit jedem gut verträgt außer mit Alkohol, und Axel, der Fitness-Influencer mit asterixesker vertikaler Ausdehnung.

Beim Karaoke kommt Schreiner mitunter der unolympische Gedanke: „Da nicht dabei sein wär alles“, aber richtig in Rage kommt er beim Gruppentanzwahnsinn: „YMCA spielts heute sicher nicht! Das ist auf der schwarzen Liste! Gemeinsam mit E Macarena und dem Ketchup Song! Partymusik, die gleichgeschaltete Tanzbewegungen fördert, die Perversion eines körperlichen Ausdrucks, die dem kranken Hirn eines am Leben gescheiterten Choreographen entsprungen ist und die durch die unmenschliche Maschinerie der Sommerhits, die das Gedächtnis ganzer Generationen wehrloser Tänzer…“ Da ginge es noch ein paar Geistesergüsse weiter. Für ein Kabarettprogramm super, für einen Blog einfach zu lang.

Wodka Ribisel war das In-Getränk der Party. Schreiner begoss damit sein erstes Krisenfest in Wien.

Aufregen kann Schreiner auch, dass wir uns leicht aufregen lassen. „Irgendwer läutet genüsslich das Glockerl der Kontroverse und schon speicheln wir ein. Politiker haben ihre Glockerl – ganz fein auf die jeweilige Zielgruppe gestimmt. Medien haben ein ganzes Glockenspiel – damit alle gleichzeitig safteln. Und der rechte Populismus hängt sowieso 24/7 an der Pummerin.“ Optimist Schreiner titelt: „Millionen von Österreichern hatten heuer im Sommer keine Schlange am WC!“

Zum Tränenlachen ist auch der eigene Theologie-auf-Lehramt-Humor, das Optimismus-Gedankenexperiment auf dem Markusplatz in Venedig und wer ein Mitbringsel für Schreiners nächste Party braucht: Chutney!

Eines hat dem Abend aber definitiv gefehlt: Beim fast begeisterten Macarenatanzen lässt Schreiner in jeder Richtung den Move „Hände auf den Hinterkopf“ aus. Das tut sogar eingefleischten Gruppentanzverweigerern etwas weh. Na vielleicht bei den nächsten Krisenfesten: Im Oktober und Dezember jeden Mittwoch im Niedermair! Große Empfehlung!!

Kulturszene plakatiert Hoffnung

„Wir kommen zurück. Mit Sicherheit“, kündigt derzeit die Volksoper Wien auf Plakaten an. Voll Vertrauen und Optimismus wendet sich auch das Konzerthaus an sein Publikum: „Die Musik lebt weiter! Wir hören uns wieder.“ Das Theater Brut Wien appelliert hingegen hilfesuchend auf Plakaten: „Can somebody please fix this?“ Das Votivkino verkündet: „Licht in Sicht, 2021“. „Wir kommen wieder“, hofft das Admiral Kino. „Währenddessen besucht unseren VOD Club. Top-Filme streamen“, verweist das Top Kino auf die Zukunft? Aber – so weiß der Werbeflächen-Anbieter Kulturformat: „Ohne Kultur sind unsere Ohren nur Brillenhalter. Ohne Kultur sind unsere Augen nur Lichtsensoren. Ohne Kultur sind unsere Stimmbänder nur Sehnen.“

Anmerkung einer Leserin zur Kampagne: „Stimmbänder gibt es nicht, sie heißen Stimmlippen – und sind keine Sehnen, sondern Muskeln.)

Schwarze Plakate zu Coronazeiten in der „Kulturnation Österreich“

Wer ist Josef Jöchl?

Josef Jöchl stellt sich nicht gerne vor. Bei der Premiere seines ersten Soloprogramms „Nobody“ im Kabarett Niedermair blieb ihm aber nichts anderes übrig: Der Angestellte geht auf die vierzig zu, hat fünf Geschwister, ist daher bei Autofahrten als Kind immer im Kofferraum gesessen und kennt Fernbedienungen nur mit Isolierband geklebt. Er trägt gerne weiß, kauft Anti-Aging-Cremen, bezeichnet „Who let the dogs out“ als sein Lieblingslied – und hat sich vor seinen Tiroler Freunden und Eltern schon früh geoutet. „Es stimmt, was die Leute sagen…“, hatte er zögernd gesagt. „Ich will nicht mehr Skifahren.“ Seine Mama hat nur ein bisschen geweint. Sie hätte gerne Enkelkinder gehabt, die gerne Skifahren.

Kurz vor dem zweiten Lockdown: Josef Jöchl feiert Premiere mit „Nobody“

Ständig muss man sich vorstellen: bei Bewerbungsgesprächen, bei Tinderdates, als Millionenshow-Kandidat und bei Feiern. („Früher hat es bei Partys unterschiedliches Knabbergebäck gegeben. Jetzt, in meinem Alter, nur noch Grissini.“) Doch wer ist man und ist das so wichtig? Glaubt man an Sternzeichen oder Psychotests, auch wenn sie einem nicht schmeicheln? Welche Pille würde man im Film „The Matrix“ nehmen?

Josef Jöchl liefert mit „Nobody“ eine lockere, unterhaltsame Vorstellung. Er erzählt von seinen Beziehungen, dass ihm Yoga geholfen hat, „vernünftige Intervalle zum Zehennägel-Schneiden zu finden“, und, dass man „weder ins Lebensmittelgeschäft einkaufen gehen soll, wenn man ein bisschen hungrig ist, noch in den Drogeriemarkt, wenn man ein bisschen schiach ist“.