Kabarettistin Nini Hölzl hat 2024 den TV-Kabarettwettbewerb Ennser Kleinkunstkartoffel gewonnen. Im Interview erzählt die hauptberufliche Psychologin, warum Humor in schwierigen Zeiten umso wichtiger ist, wie sie ihren „Waldbade-Orgasmus“ probt und warum wir unser Glück zu einem großen Teil selbst in der Hand haben.
Welche Reaktionen hast du auf den Kartoffel-Sieg bekommen?
Vor allem hab ich viele Reaktionen bekommen. Ich habe gemerkt, dass die Ennser Kleinkunstkartoffel weit über Oberösterreich hinaus bekannt ist. Vor allem nach der Ausstrahlung auf ORF III haben mir viele Leute gratuliert. Da ich bei der Preisverleihung im Scherz gesagt habe, dass ich mir einen Jahresvorrat an Kartoffeln erwartet hätte und dies die Oberösterreichischen Nachrichten gedruckt haben, habe ich zuhause einen 5-Kilo-Sack Kartoffeln vorgefunden mit der Nachricht „Leider kein Jahresvorrat, aber ein Anfang“. Und ein ganzes Paket mit Produkten aus Kartoffeln hab ich auch bekommen!
Warum machst du eigentlich Kabarett?
Das Kabarett ist mir irgendwie passiert. Mein Debüt hatte ich 2019 beim Talente-Wettbewerb des Wiener Kabarettfestivals, den ich gewonnen habe. Da hab ich gemerkt: das macht mir Spaß, auf der Bühne fühl ich mich wohl, da kann ich mich ausprobieren und nebenbei meinen inneren Kritiker austrixen, der immer sehr streng auf mich schaut und Höchstleistungen von mir erwartet. Aber Perfektion, die einen davon abhält zu scheitern, macht Kabarett unlustig. Insofern hat die Bühne auch eine therapeutische Wirkung für mich.
Was macht für dich den Reiz dieser Kunstform aus? Vor Leuten stehen – und etwas erzählen…
In meiner Arbeit als Trainerin und Coach stehe ich ja auch vor Leuten und erzähle etwas – aber immer ein wenig „gefiltert“, mit einer professionellen Haltung, mit Empathie, mit Fokus auf die Klient:innen. Auf der Bühne kann ich viel „egoistischer“ sein. Da geht’s mir in erster Linie darum, dass es mir gut geht, dass ich Freude habe. Und je mehr ich darauf achte, dass es für mich passt, umso mehr hören die Menschen zu und sind auch bewegt von dem, was ich sage. Dann haben alle was davon. Das macht es für mich aus.
Du thematisierst Veränderungen, die ja oft von Sorgen und Ängsten begleitet werden. Wie gehst du selbst damit um? Welchen Rat hast du?
Freunde sagen mir eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit schwierigen Situationen nach. Wenn dem so ist, dann hab ich mir diese aber hart erarbeitet. Hart erarbeitete Leichtigkeit. Ich beschäftigte mich persönlich und beruflich seit vielen Jahren mit Positiver Psychologie, mit Embodiment, mit hypnosystemischen Konzepten, auch mit Spiritualität und mit Humor. Das hinterlässt irgendwann Spuren.
In meinem Programm gebe ich zu diesem Thema viele hilfreiche Anregungen. Da gibt es nämlich einiges, was wir tun können. Wir haben unser Glück Großteils selbst in der Hand, was für manche gar nicht so eine erfreuliche Nachricht ist, aber mittlerweile vielfach wissenschaftlich erforscht ist. Wir können jeden Tag aufs Neue entscheiden, mit welchem Gesicht, mit welcher Einstellung wir durchs Leben gehen wollen, ob wir andere angranteln oder anlächeln. Wir können selbst entscheiden, wie viele Schreckensnachrichten wir uns reinziehen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Wir haben es in der Hand, ob und wie oft wir Sudern und Jammern oder dankbar sind für das was JETZT ist.
Manchmal hilft es auch, die Dinge ein wenig in Relation zu betrachten. Wir leben unter Umständen, die nur ein kleiner Prozentsatz der Weltbevölkerung vorfindet. Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bei uns kommt es aus der Leitung – von kalt bis kochend, mit oder ohne Sprudel. Ich sag, freu dich, wenn du allein und sicher aufs Klo gehen kannst – das können mehr als vier Milliarden Menschen nicht. Sorgen und Ängste sind immer zu würdigen, aber auch ihnen darf man mit Humor begegnen.
Binnen-I, faule Jugend, keine Geschäfte mehr am Land – wie wählst du Themen aus?
Ich suche die Themen nicht, ich finde sie nicht einmal. Sie sind einfach da. Ich wähle dann jene Themen aus, die mich selbst am meisten betreffen oder beschäftigen. Und jene, die ich unbedingt mit jemanden teilen möchte. Zum Beispiel, wenn im Unternehmensseminar 50-jährige Burnout-Genesene nach dem dritten Herzinfarkt darüber jammern, dass die Jungen nicht mehr bereit sind, 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Oder die Nachbarn, die im Garten die Bäume fällen lassen, damit sie dann eine superteure Beschattungsanlage installieren. Oder dass ich eine Freundin habe, die über eine App die Klobrille vorwärmen kann. Sowas muss man doch jemandem erzählen.
Dein „Waldbade-Orgasmus“ erinnert ein bisschen an „Harry und Sally“. Wie probt man das? Wie bereitest du dich auf Auftritte vor?
Der Waldbade-Orgasmus ist bei einem Auftritt spontan auf der Bühne entstanden. Da dachte ich, das könnte ich jetzt ein wenig ausspielen und so ist das gekommen. Auf der Bühne bin ich im Flow – da trau ich mir sowas. Da muss ich sogar eher darauf achten, dass es nicht unkontrolliert mit mir durchgeht und ich mir nur mehr selber zuschaue und mich wundere.
Für Enns hab ich die Szene aber extra geprobt. Auf der Hinfahrt im Auto mit meinem Mann. Er ist gefahren und ich hab am Beifahrersitzt geübt. Ich hab ihn dann immer wieder gefragt: „Macht’s dir was aus, wenn ich den Orgasmus nochmal übe?“ Das war echt witzig, zumindest für mich.
Generell bereite ich mich auf Auftritte so vor, dass ich dann Tage vorher einzelne Passagen oder Szenen übe – wann immer das möglich ist. Im Auto, beim Kochen, beim Zähneputzen, beim Einkaufen. Mit vielen Unterbrechungen, so dass ich nie das Gefühl habe, ich habe richtig geprobt. Die wichtigste Vorbereitung für mich ist ohnehin das „in die Freude kommen“, meine innere Freude zu aktivieren, mich daran zu erinnern, dass es um Leichtigkeit geht, dass ich eine „geile Sau“ bin (Insider aus meinem Programm) und dass ich nicht nach jedem zweiten Wort „goi“ sage! Der Rest kommt dann schon.
Kriege, Inflation, Politik – wie wichtig ist Humor in den aktuellen Zeiten?
Je schwieriger die Zeiten, umso wichtiger der Humor. Die Wirkung von Humor ist ja mittlerweile gut erforscht. Wer humorvoll durchs Leben geht, kann auch mit Stress besser umgehen, kann auch mehr leisten. Humor bringt Probleme auf Distanz. Humor ist eine innere Einstellung, eine Charakterstärke, die man auch trainieren kann.
Lachen hilft immer. Auch in unpassenden Situationen. Lachen kann eine kathartische Wirkung haben. Es befreit, transformiert, heilt. Ich war auf der Clownschule, da hab ich viel über Humor und vor allem über mich gelernt. Clowns wie Jango Edward oder Laura Herts find ich großartig. Ich selbst kann am meisten über Banalitäten, über Nebensätze, über das scheinbar Unwesentliche lachen.
Wie gehts bei dir weiter? Wirst du als Kabarettistin auch TikTok und Co. bedienen?
Ich hoffe sehr, dass es weiter geht, dass ich noch auf vielen Bühnen vielen Menschen eine gute Zeit bereiten kann. Von mir aus darfs auch was Großes werden. Aber so, dass auch noch anderes in meinem Leben Platz hat. Ein Wunsch ist, dass ich mich auf der Bühne noch mehr austobe, auch den Clown noch mehr mitspielen lasse. TikTok und Co…ich bin in den 70-ern geboren, ich bin halt kein Digital Native. Man findet mich ein bisschen auf Facebook und sonst viel lieber live in persona. Ich finde, es ist so aufwendig, die sozialen Medien zu bedienen – das freut mich überhaupt nicht – da komm ich dann nicht mehr zu der Arbeit, die mir taugt. Aber wer weiß wo ich noch auftauche…
Vielen Dank für das Interview!
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