Klebende Kunst: Hände aus Münzen

Es ist ein starkes Zeichen des Zusammenhalts – die Skulptur „Raising Hands“ von Julia Bugram am Wiener Stephansplatz. Zu sehen sind zwei einander reichende Hände, die aus einer Million zusammengeklebter 1-Cent-Münzen bestehen. Das Kunstwerk soll Hoffnung auf solidarisches Handeln machen. In Zeiten von Krisen und Krieg ist das wichtiger denn je. Seit April sind die – allein aufgrund der Münzen mehrere Tonnen schweren – Hände öffentlich ausgestellt – und haben kaum an Gewicht verloren. Auch der Klebstoff des Kunstwerks steht offensichtlich für Zusammenhalt.

Die „Raising Hands“ wurden unter anderem über Crowdfunding finanziert.
Über 3.800 Menschen sollen sich am Bekleben der Münzen beteiligt haben.

Albertina zeigt Revolver für den Frieden

Ein Revolver als Friedensbotschafter? Das funktioniert wohl nur, wenn die Waffe in einem Käfig eingesperrt ist. Der kroatische Konzeptkünstler Vladimir Dodig Trokut verwirklichte diese Idee einst mit einer rund drei Meter hohen Skulptur mit dem Titel „Imagine“ – in Anlehnung an den berühmten John-Lennon-Hit. Das Kunstwerk ist als Statement gegen Waffenbesitz, Gewalt und Krieg gedacht. Seit Juli ist es am Dach der Albertina in Wien zu sehen. „Imagine all the people, livin‘ life in peace…“.

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder über den Revolver: Gewalt muss „begrenzt werden“.

Riesiges Weinfass unter der Hofburg

Im Keller der Wiener Hofburg werden Schätze gelagert, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Unter der Präsidentschaftskanzlei etwa befindet sich ein riesiges gemauertes Weinfass. Es hat ein Fassungsvermögen von 731,5 Hektolitern und diente einst der Lagerung von Weißwein für die Hofbediensteten.

Zementfass mit Glaskeramik im ehemaligen Hofweinkeller.

Wenige Meter weiter bewahrt die Burghauptmannschaft rund 2.000 beeindruckende Gipsmodelle auf – von Fassadenelementen, Schlusssteinen und Denkmälern, die an der Ringstraße stehen. Muss eine Statue saniert werden, kann das Originalmodell des Künstlers aus dieser Sammlung herangezogen werden.

Ein abgelehnter Entwurf des Denkmals von Kaiserin Elisabeth im Volksgarten.

Buchtipp: Inge – Bomben, Schmuck und StrümpfeInge erlebt den Zweiten Weltkrieg in Gablonz – als junge Österreicherin zwischen Sudetendeutschen und Nazis, Tschechen und Russen. Damit ihre Familie flüchten kann, geht sie jedes Risiko ein. Blick ins Buch.

Rassismus, Kunst und Kommerz: Basquiat in der Albertina

Wer war Jean-Michel Basquiat? Er gilt als erster schwarzer Künstler mit Weltruhm, machte sich zuerst in der New Yorker Graffiti-Szene einen Namen, zeichnete in den 1980ern gegen Rassismus und Polizeigewalt, war mit Andy Warhol befreundet und starb mit 27 Jahren an einer Überdosis Drogen. Selbst als Superstar der Kunstszene hatte er Probleme, nach Partys ein Taxi zu bekommen, wurde von Ladendetektiven verfolgt und von der Flughafenpolizei verhört – aufgrund seiner Hautfarbe. Basquiats Themen sind leider nach wie vor aktuell. (Black Lives Matter...)

Die Albertina widmet Basquiat bis 8. Jänner eine Retrospektive – mit 50 Werken und einem Film. Vor allem beim jüngeren Publikum scheint die Schau – zurecht – ein Riesenerfolg zu werden. Spannend: Der Albertina-Shop verkauft neben den üblichen Katalogen, Ansichtskarten und Postern auch Basquiat-T-Shirts (100 Euro), Socken, Sammelfiguren und Geschirr. Teure Fanprodukte, aber natürlich günstiger als Originale. Vor fünf Jahren wurde ein Basquiat-Bild mit Totenkopf-Gesicht um knapp 100 Millionen Euro versteigert.

Selbstporträt von Basquiat in der sehr gut besuchten Albertina-Schau.

„Tizian“ gratis in Wien zu sehen

In London ist ein verschollen geglaubtes Gemälde von Tizian aufgetaucht: „Die büßende Magdalena“ – ein oft gemaltes Thema des berühmten venezianischen Malers. Im April ist das Bild von der Kunsttransportfirma Otrans streng geheim nach Wien gebracht worden. Rund 25 Stunden hat die Autofahrt gedauert. Am 11. Mai wird das Meisterwerk im Dorotheum versteigert. Schätzwert rund 1,5 Millionen Euro. Top: Vor der Versteigerung kann die „büßende Magdalena“ kostenlos im Palais Dorotheum besichtigt werden.

Tizian soll zahlreiche Versionen der „büßenden Magdalena“ gemalt haben.
Das Gemälde war rund 150 Jahre in Privatbesitz „verschollen“.

Street-Art über den Ukraine-Krieg

Kunst ist oft politisch und aktuell. Daher wenig verwunderlich, dass Graffiti- und Street-Art-Künstler den Krieg in der Ukraine behandeln. Auf Wiener Wänden wie am Donaukanal sind viele Werke in blau-gelben Farben gesprayt worden. Der Wunsch hinter den traurigen und oft auch wütenden Bildern lautet Frieden statt Krieg. Viele Künstlerinnen und Künstler engagieren sich zusätzlich für die Flüchtlingshilfe und verkaufen ihre Arbeiten bei Benefizaktionen.

Ein abgewandeltes Zitat vom Kriegsbeginn – gesehen am Donaukanal
Wunsch nach Frieden am Yppenplatz – von Mariella Lehner, Franziska Prohaska und Jannis Neumann

Erwin Wurm: Meisterwerke auf Auftrag

Würstel, Gurkerl und Salzstangerl – Erwin Wurm zeigt im Kleinen Haus der Kunst riesige Skulpturen aus Stein, die Fragen aufwerfen. Zum Beispiel, ob er die alle selbst gemacht hat. „Schauen Sie mich an. Ich hab das in Auftrag gegeben“, antwortet der Künstler lächelnd. „Wir haben die Formen entschieden und scannen lassen. Und dann haben wir es nach Italien nach Carrara geschickt. Ich hab mühsam in wochenlanger Arbeit die Steine ausgesucht, war immer bei der Arbeit und Kontrolle dabei – aber selbst hab ich nichts gemacht.“ Die beeindruckenden Stein-Kunstwerke können jedenfalls nicht nur besichtigt, sondern auch gekauft werden. Nur – die Preise liegen im fünf- bis sechsstelligen Bereich.

Bilderhauer-Meisterwerk: Das Salzstangerl aus Stein ist mehrere Meter hoch…

Tizians Frauen in der Zielgeraden

Bis 1500 wurden Frauen nur in biblischen Szenen gemalt: Sünderin Eva oder die göttliche Maria. Ab dann ging es aber zur Sache, zumindest in Venedig. Die schöne junge Frau wurde von Tizian, dem Superstar der Renaissance, und seinen Zeitgenossen erotisch porträtiert. Von Männern für Männer. Eine entblößte Brust war etwa das visuelle Zeichen, dass eine Frau offenen Herzens in die Ehe eintritt.

Die Sonderausstellung „Tizians Frauenbild. Schönheit – Liebe – Poesie“  im Kunsthistorischen Museum Wien wurde von Beginn an kontrovers diskutiert. Zu konservativ? Zu wenig Hintergrund? Doch feministisch? Noch eine Woche gibt es Gelegenheiten, sich selbst ein Bild zu machen, bevor sie in den Palazzo Reale in Mailand übersiedelt: Online-Führungen, Venezianische Abende bei Antipasti und Aperitivo oder das Grande Finale Veneziano am letzten Tag.

Liebespoesie und Literatur inspirierten. Allen voran Francesco Petrarca, dessen Angebetete Laura DIE literarische Figur war damals. Ihre Haare sollen so anziehend gewesen sein. Auch die Dame am Sujetbild parfümiert sich ihre Haare.
Viele Werke sind hochkarätige Leihgaben – ob aus St. Petersburg, der Villa Borghese in Rom, oder wie dieses aus dem Dogenpalast in Venedig selbst.

Oper bietet Kunst in der Pause

In der Wiener Staatsoper ist selbst dann Kunst zu sehen, wenn der Vorhang geschlossen ist. Diese Saison hat die brasilianische Malerin Beatriz Milhazes den Brandschutzvorhang der Bühne gestaltet, den sogenannten Eisernen Vorhang. Unter dem Titel „Pink Sunshine“ bringt sie während der Spielpausen Wärme und Heiterkeit in das Haus am Ring. Milhazes Kunstwerk besteht aus drei Teilen. Wer genau hinsieht, wird farbenfrohe Blätter, Zweige und eine Meereslandschaft entdecken. Für die Künstlerin ist die Nähe zur Natur für das Wohlbefinden von Körper und Geist entscheidend. Für viele gehört auch Musik, Spiel und Tanz dazu. Möge das alles bald wieder möglich sein!

Die Staatsoper zeigt mit dem museum in progress jede Saison ein neues Kunstwerk am Eisernen Vorhang. Das aktuelle Bild „Pink Sunshine“ ist von Beatriz Milhazes.

Ein Hauch von „Inception“ im MuseumsQuartier

Es erinnert an Filme wie Matrix und Inception, wenn sich die Gebäude des MuseumsQuartiers verformen, neu zusammensetzen oder gar einstürzen. Möglich macht diese Effekte die Lichtinstallation „re:flexion“. Zum 20. Geburtstag des MuseumsQuartiers bespielen die beiden Künstler Tim Schmelzer und Marcus Zobl die Fassaden des Leopold Museums, der Halle E+G, des mumok und die Hauptfassade des MQ mit einer 20-minütigen Ton-, Licht- und Lasershow. Die Projektionen erzeugen einen 360-Grad-Effekt, der einen staunend zurücklässt. Eine Woche lang sind sie jeden Abend dreimal zu sehen.

Laserstrahlen schießen auf die Museen – wie hier auf das mumok.
Das Leopold Museum wird Stein für Stein wieder aufgebaut.

Es ist die zweite Aktion, die innerhalb weniger Wochen für Staunen sorgt. Erst kürzlich war die Netzskulptur „Earthtime 1.78 Vienna“ der Künstlerin Janet Echelman im Haupthof aufgebaut. Ein 44 Meter langes und 35 Meter breites Netzgebilde, das über dem Hof schwebte und durch Wind und Lichtspiele beeindruckte.

Echelmans Skulptur wachte ein Monat lang über die Enzis.