Mahler mit Hüftschwung

Gustav Mahlers dritte Sinfonie ist nichts für schwache Nerven. Nicht nur für die Orchestermusiker gibt es kaum Zeit zum Ausruhen, auch als Zuhörerin ist man ständig gefordert. Nie darf man sich einer Klangwelt sicher sein. Innerhalb weniger Takte ist man vom Vogelgezwitscher bei der Marschkapelle, vom filigranen Oboen-Solo beim epischen Filmsoundtrack angelangt. Erkennt man gerade ein Motiv in den Holzbläsern wieder, grätschen die Streicher wild hinein. Grandios!  

Die Wiener Symphoniker begeisterten mit diesem Meisterwerk der Spätromantik gestern am zweiten Abend in Folge das Konzerthaus-Publikum im Großen Saal. Dem Orchesterklang (besonders die Blechbläser kommen bei Mahler ordentlich dran und liefern auf Weltklasseniveau ab), den Soli (unglaublich, dass eine Posaune so klingen kann) und der Chor-Kombi (die Wiener Sängerknaben und die Damen der Wiener Singakademie strahlen glockenhell) stahl aber beinahe jemand anderer die Show: Dirigent Andrés Orozco-Estrada. Man würde jedes Detail der Musik hören, sähe man nur ihm alleine zu. Besonders im tänzerischen zweiten Teil wollte man am liebsten mittanzen: ein Hüftschwung zum Niederknien.

Kleines Detail für die Geschichtsbücher: Da es der erste Tag war, an dem nur geimpfte und genesene Gäste zugelassen waren (2G-Regel), durfte man erstmals seit Pandemiebeginn ohne Maske im Saal sitzen: das i-Tüpfelchen auf diesem Konzertgenuss!

Großartig gespielt: Diese 2G gelten im Großen Saal immer.

Wie Chorkonzerte möglich werden

Singen wird in Corona-Zeiten häufig als gefährlich dargestellt. Sorgen, dass das Chorleben dadurch praktisch zum Erliegen kommt, sind sicher berechtigt. Hoffnung bereiten dieser Tage Chorkonzerte wie jenes der Wiener Singakademie, die Antonín Dvořáks Messe in D-Dur mit Robert Kovács an der Orgel im Konzerthaus erklingen ließ. Dirigent Heinz Ferlesch war es, der nach dem Corona-Lockdown an vorderster Front gekämpft hatte, um Proben- und Aufführungspraxis nicht völlig im Keim ersticken zu lassen.

Mit durchdachtem Hygienekonzept und klaren Verhaltensregeln gelingt dies! Kleinere Besetzungen, längere Pausen zum Lüften, Desinfizieren von Sesseln und Notenständern, genau markierter Platz mit Abstand für jede Sängerin und jeden Sänger prägen etwa die Proben. Zum Konzert kommen die Musiker bereits mit Chorkleidung, das Umziehen wird auch hinterher auf Zuhause verlegt. Die Maske wird auf der Bühne erst am Platz abgenommen. Dass sich der große Aufwand lohnt, versteht sich von selbst! Besonders das Cum Sancto Spirito, das Hosanna und das Dona Nobis Pacem ließen einen im Großen Saal beglückt und dankbar zurücklehnen: Danke, dass es noch Chormusik gibt!

Abstand und Maske bis zum Platz gilt im Konzerthaus für den Chor genauso wie für die Besucher.

Ostern: Konzert statt Kirche

Mit einem der größten Werke der Musikgeschichte, der h-Moll-Messe von Bach, lässt es sich ideal auf Ostern einstimmen: Am Wochenende war das Werk im Wiener Konzerthaus zu hören. Ein Traum etwa das Solo des ersten Konzertmeisters der Wiener Symphoniker, Anton Sorokow – einer der wenigen Orchestermusiker, die während des Konzerts lächelten. Unglaublich gut auch die Solistinnen Camilla Tilling (Sopran) und Wiebke Lehmkuhl (Alt) – letztere besonders beim Agnus Dei. Ein Highlight zum Schluss: Dona nobis pacem. Fazit: Ein „Osterklang“-Konzert mit vielen Höhepunkten. Auch unserem Bundespräsidenten Heinz Fischer und seiner Gattin Margit hats sichtlich gefallen.

hmoll

h-moll-Messe mit den Wiener Symphonikern, der Wiener Singakademie, mit Philippe Jordan uvm.

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RSO und Singakademie im Konzerthaus

„Werke von Brahms“ – unter diesem Titel begeistere das ORF Radio-Symphonieorchester sowie die Wiener Singakademie unter Dirigent Cornelius Meister im Wiener Konzerthaus. Leider war der Saal nicht bis auf den letzten Platz gefüllt. Das veranlasste (ausschließlich) älteres Publikum während der Tragischen Overture d-moll op. 81 ihre Plätze zu verlassen um sich bessere zu ergattern. Da die herumeiernden Pensionisten ablenkten, konnte man das Konzert erst bei den vier Gesängen für Frauenchor mit Begleitung von zwei Hörnern und Harfe erst so richtig genießen. Unglaublich schön spielte Hornist Peter Keserü seine Solostellen, genauso beeindruckend war das Harfenspiel von Anna Verkholantseva. Weniger angenehm für die Ohren war der Frauenchor. Das lag weniger an der musikalischen Leistung und mehr an den allgemein hohen Frauenstimmen. (Männerstimmen sind einfach angenehmer…) Es folgte der Höhepunkt der ersten Konzerthälfte, der „Gesang der Parzen“ für sechsstimmigen Chor und Orchester. „Es fürchten die Götter das Menschengeschlecht…“ – ein Traumstück, das zuletzt vor 44 Jahren im Konzerthaus aufgeführt wurde. (Die Gründe sind von ökonomischer Art. Hoher Aufwand, kurze Dauer.)

Die zweite Konzerthälfte war durchgehend ein Genuss. Am Programm standen acht Variationen über ein Thema von Joseph Haydn inklusive Choräle St. Antoni und Finale. Unbestrittener Höhepunkt des Abends war das Werk „Nänie“. Friedrich Schillers Text dazu lautet: „Auch das Schöne muss sterben.“ Leider hat er Recht. Auch dieses schöne Werk hatte ein Ende – großer Applaus für das RSO und die Wiener Singakademie für diesen traumhaften Abend.

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