Gustav Mahlers dritte Sinfonie ist nichts für schwache Nerven. Nicht nur für die Orchestermusiker gibt es kaum Zeit zum Ausruhen, auch als Zuhörerin ist man ständig gefordert. Nie darf man sich einer Klangwelt sicher sein. Innerhalb weniger Takte ist man vom Vogelgezwitscher bei der Marschkapelle, vom filigranen Oboen-Solo beim epischen Filmsoundtrack angelangt. Erkennt man gerade ein Motiv in den Holzbläsern wieder, grätschen die Streicher wild hinein. Grandios!
Die Wiener Symphoniker begeisterten mit diesem Meisterwerk der Spätromantik gestern am zweiten Abend in Folge das Konzerthaus-Publikum im Großen Saal. Dem Orchesterklang (besonders die Blechbläser kommen bei Mahler ordentlich dran und liefern auf Weltklasseniveau ab), den Soli (unglaublich, dass eine Posaune so klingen kann) und der Chor-Kombi (die Wiener Sängerknaben und die Damen der Wiener Singakademie strahlen glockenhell) stahl aber beinahe jemand anderer die Show: Dirigent Andrés Orozco-Estrada. Man würde jedes Detail der Musik hören, sähe man nur ihm alleine zu. Besonders im tänzerischen zweiten Teil wollte man am liebsten mittanzen: ein Hüftschwung zum Niederknien.
Kleines Detail für die Geschichtsbücher: Da es der erste Tag war, an dem nur geimpfte und genesene Gäste zugelassen waren (2G-Regel), durfte man erstmals seit Pandemiebeginn ohne Maske im Saal sitzen: das i-Tüpfelchen auf diesem Konzertgenuss!
