Am 23. Juni wird in der Stadthalle Enns das Oratorium „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn aufgeführt. Auf der Bühne steht neben Dirigent Heinz Ferlesch, dem Ensemble Sonare Linz, dem Chor Ad Libitum, den Solisten Maria Erlacher (Sopran) und Josef Wagner (Bass) auch der Wiener Startenor Daniel Johannsen. Er ist Preisträger des Bach-, Schumann-, Mozart- sowie Wigmore-Hall-Wettbewerbs und konzertierte bereits mit den Wiener Philharmonikern oder Nikolaus Harnoncourt. In Hinblick auf das Konzert baten wir ihn zum Interview:
Kulturblogger.at: Wie bereiten Sie sich auf das Konzert vor?
Johannsen: Haydns „Jahreszeiten“ begleiten mich schon sehr lange. Ich habe damit vor fast zwölf Jahren eines meiner ersten großen Chor-Orchester-Konzerte bestritten und musste mich damals enorm sorgfältig vorbereiten. Nicht nur stimmlich, sondern auch interpretatorisch – und davon profitiere ich bis heute.
Kulturblogger.at: Was ist für Sie das Besondere an den „Jahreszeiten“?
Johannsen: Wir sind heute eine emanzipierte Kulturgesellschaft. Es wird buchstäblich aus allem und über alles Theater gemacht. Ja, manchmal hätte man es vielleicht sogar lieber, gewisse Dinge nicht auch noch auf der Bühne betrachten zu müssen. Zu Haydns Zeit war das noch ganz anders. Als „theatertauglich“ galten nur schwülstige Themen aus der Mythologie, höfische Dramen, allenfalls noch etwas universellere biblische Inhalte. Man kann es gar nicht hoch genug schätzen, dass Haydn und sein Librettist zum ersten Mal in der Musikgeschichte den ganz einfachen Menschen mit ihren Freuden, Ängsten, Sehnsüchten und ziemlich alltäglichen und unspektakulären Landleben ein Podium boten.
Der selbstsichere, überhebliche Landadel kommt übrigens gar nicht gut weg, wie man es Hannchens kluger Ballade aus dem Winter entnehmen kann. Das ist für die damalige Zeit äußerst gewagt und kann mich, neben der menschenfreundlichen, optimistischen Grundhaltung des Werks, genauso begeistern wie die unzähligen kompositorischen Schönheiten. Das lässt auch über manche vielleicht etwas belehrende oder verzopfte Passage hinweghören, die es in einem Text aus dieser Zeit halt eben gibt.
Kulturblogger.at: Welcher Part des Stückes ist eine besondere Herausforderung für Sie?
Johannsen: Die große Szene (Rezitativ und Arie „Hier steht der Wandrer nun“) im Winter ist bestimmt der musikalische Höhepunkt der Tenorpartie. Aber auch das Stimmungsbild der brütenden Sommerhitze („Dem Druck erlieget die Natur“) bedarf einiger Kunstfertigkeit.
Kulturblogger.at: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Stück bereits gemacht?
Johannsen: Es spricht an und begeistert: Das konnte ich in Räumen wie dem Wiener Konzerthaus oder dem Haydnsaal von Schloß Esterházy mit großer Freude bei ganz unterschiedlichen Publikumsgruppen feststellen.
Kulturblogger.at: Welche persönlichen Höhepunkte hat das Stück für Sie?
Johannsen: Die Baßarie „Erblicke hier, betörter Mensch“, mit der uns die Vergänglichkeit des menschlichen Strebens und Handelns vor Augen geführt wird, vermag mich vielleicht am meisten zu bewegen. Und so viel darf ich verraten: Mit meinem lieben Freund und Kollegen Josef Wagner wird das ein unvergleichliches Erlebnis! Aber auch der großartige Sonnenaufgang zu Beginn des Sommer-Teils und die überschäumende Freude des Wein-Chores im Herbst sind meine Highlights – und sicher auch die des Publikums.
Kulturblogger.at: Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit dem Chor Ad Libitum, dem Ensemble Sonare Linz und Heinz Ferlesch?
Johannsen: Das Ensemble Sonare Linz ist mir aus einer Bachschen „Johannes-Passion“ in allerbester Erinnerung. Die langjährige menschlich-musikalische Freundschaft mit Heinz Ferlesch ist sicher dafür verantwortlich, dass ich dem Dirigenten (mit dem ich bereits so großartige Werke wie die „Matthäus-Passion“ oder Händels opulente Oratorien „Judas Maccabaeus“ und „Solomon“ darbieten konnte) gerne zugesagt habe.
Kulturblogger.at: Wem empfehlen Sie, dieses Konzert zu besuchen? Was kann man sich von so einem Konzertabend für sich selbst mitnehmen?
Johannsen: Allen empfehle ich es. Und auch wenn der Spruch schon etwas abgegriffen ist, bringt es Haydn nach wie vor auf den Punkt: „Meine Sprache versteht die ganze Welt.“ Und die Freude und die Begeisterung auf den Gesichtern der Zuhörerschaft ist neben all den herrlichen Ohrwürmern das, was der Sänger dankbar und beschwingt mit nach Hause nimmt.
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Mehr Infos zum Konzert: diejahreszeiten.wordpress.com