Düringer über seine Theaterzeit

„Wer keinen Schmäh hat, muss Witze erzählen“, sagt Roland Düringer. Der Kabarettist und Schauspieler hat reichlich Schmäh – und improvisiert sich scheinbar durch seinen „Regenerationsabend 3.0“. Natürlich weiß Düringer ganz genau, was er tut. Er erzählt, wie er zum Theater und Film gekommen ist, von Schlabarett, Muttertag, Kaisermühlen-Blues bis MA 2412 – und natürlich vom Motorradfahren. Reaktionen aus dem Publikum verwandelt er voller Spielfreude in Pointen. Und plötzlich sind zwei Stunden um. Ein Knaller!

Düringer begrüßt im Stadtsaal die mutigen Helden des Abend – in der ersten Reihe!

Buchtipp: Inge – Bomben, Schmuck und StrümpfeInge erlebt den Zweiten Weltkrieg in Gablonz – als junge Österreicherin zwischen Sudetendeutschen und Nazis, Tschechen und Russen. Damit ihre Familie flüchten kann, geht sie jedes Risiko ein. Blick ins Buch.

Frische Luft von Hosea Ratschiller

Hosea Ratschiller reift wie ein Leberkäse im Brutkasten. Er ist jetzt 43 Jahre – „ein Alter, in dem Erinnerung schon zur Leistung wird“. Wo steht er? Wer ist er? Das Maturatreffen bringt ihn – im neuen Kabarettprogramm „Happy Place“ – zum Nachdenken.

Er kommt zur Erkenntnis, dass es in seinem Leben wie beim Wandern ist. Mittelmaß oder auch die Mittelstation reichen. „Bis ganz nach oben ist es zu weit.“ Ob er gut genug für seine Frau ist? „Statistisch gesehen ist der gefährlichste Mensch für jede Frau – ihr Mann.“ Außerdem sei er ein Trottel. „Das weiß ich, seitdem ich Bücher lese.“ Seine drei Kinder fordern ihn. Etwa, wenn sie ihn um 5.30 Uhr flüsternd-schreiend mit den Worten wecken: „Papa, wo ist der Uhu?“ Die neue Epoche, in der Nettsein zur Rebellion wird, macht ihm Sorgen. Aber er hat bei seiner Arbeit beim Radio auch gelernt, Ereignisse zu überschätzen.

Fazit: Hosea Ratschiller – das Schaumsupperl unter den Kabarettisten – ist ein sympathisches Schlitzohr mit einer Fülle an schlauen Gedanken. Er erzählt keinen Schaß, sondern frische Luft! Kabaretthäuser sind ein „Happy Place“ – wenn Hosea auf der Bühne steht!

Premiere von „Happy Place“ von Hosea Ratschiller im Wiener Stadtsaal. Regie: Petra Dobetsberger

Romeo Kaltenbrunner wird zum Hendl

„Wenn die Welt komplexer wird, werde ich wieder zum Hendl“, sagt Romeo Kaltenbrunner. In seinem zweiten Soloprogramm „Heimweh“ denkt der Kabarettist zurück an seine Kindheit am Land. Doch so einfach und idyllisch war es damals im kleinen Gehege auch nicht. Zumindest nicht für einen Jugendlichen ohne Vater – und dunkler Hautfarbe. Wobei – Kaltenbrunner nimmt seine Erfahrungen mit den Dorf-Nazis, der Polizei und den Eltern seiner Jugendliebe österreichisch locker.

Weil er mit komplexen Antworten nichts anfangen kann, entscheidet er sich für eine technische Ausbildung. „Ich will Eindeutigkeit. Geht – oder geht nicht. Was anderes interessiert mich nicht.“ Jetzt lebt er im siebten Bezirk in Wien und verbringt seine Zeit auf TikTok und Netflix, anstatt Eigentum zu schaffen oder für die Demokratie zu kämpfen. Aber auch die Generation vor ihm hat keine großen Errungenschaften vorweisen, sagt Kaltenbrunner. Vor allem alte Männer, die einem heute Verweichlichung vorwerfen, können ihren Pflegerinnen im Altersheim keine Geschichten von harten Zeiten erzählen. „Den einzigen Krieg, den die hatten, war der Straßenverkehr. Deswegen sind die auch so wütend!“ Aber Kaltenbrunner ist sich sicher, dass die heutige Jugend bald wieder etwas zu erzählen haben wird. „Der Russe steht vor der Tür, die Nazis haben wir schon im Haus.“

Ein Mikro und gute Pointen: Romeo Kaltenbrunner im Kabarett Niedermair:

Fazit: Das Land- und Stadtleben in Österreich, Rassismus und Radikalisierung: Romeo Kaltenbrunner hat definitiv viel zu erzählen! Wütend steht er auf der Bühne und haut mit Leichtigkeit eine Pointe nach der anderen raus! Große Empfehlung!

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Berni Wagner über Männer und Monster

Berni Wagner ist kein echter Mann. Zumindest teilen ihm das andere Männer ungefragt auf Social Media mit. Doch was ist das überhaupt – ein echter Mann? Das versucht der 33-jährige Kabarettist in seinem fünften Programm „Monster“ herauszufinden. Ein Mann ist jedenfalls keine Frau und kein Kind, sagt Wagner. Doch da geht das Problem schon los. („Ich bin zur Hälfte Frau, mütterlicherseits. Ich habe langjährigen Kindheitshintergrund.)

Was machen Männer? Polterabend („So sollte Sterbehilfe sein – wir machen uns einen schönen Tag, und dann ist er hin.“), Stellung („Der wahre Feind vom Bundesheer ist der Zivildienst.“), Kampfsport („Angriff ist die beste Selbstverteidigung. Schlagfertig. Schlag. Fertig.“), Krampuslauf („Volk begnadet für das Schöne“), Schimpfwörter („Das Gegenteil von ‚Weichei‘ ist Hodenkrebs“).

Und trotzdem – auch Berni Wagner hat ein „Monster“ in sich. Auch er will – in der Flut an negativen Nachrichten – das Mitgefühl fernhalten. Er will sich stark fühlen. („Wir sind alle Pazifisten, außer es trifft die richtigen.“) Meistens hat er sein Monster in die Abstellkammer der Psyche verbannt, die Tür zugesperrt und ein paar feministische Poster drübergenagelt. Doch immer wieder kommt es hervor…

Fazit: Männer haben und machen Probleme. Berni Wagner schafft es, dieses brandaktuelle Thema in einen grandiosen Kabarettabend zu verpacken. Besonders für Männer – eine niederschwellige Therapieeinheit zum Tränen lachen! Zum Finale appelliert der promovierte Verhaltensbiologe noch, auf die Wissenschaft zu hören: „Nicht der Stärkste überlebt den Kampf in der Natur, sondern die am besten Angepassten! Uns Menschen macht der Zusammenhalt aus. Dafür sind wir gemacht.“

Berni Wagner im „unmännlichen“ Bühnenoutfit im Wiener Stadtsaal

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Rocky Horror Show zum Mitspielen

Die Rocky Horror Show ist zurück in Wien – und sie ist gar nicht „boring“! Als prominente Erzähler wechseln sich Sky du Mont und Arabella Kiesbauer ab. Das Publikum darf Hineinrufen, Konfetti werfen und mit Wasserspritzpistolen schießen. Auf der Bühne rocken lautstark die Aliens! Ein großer Spaß unter dem Motto „Don’t dream it, be it.“

Großer Jubel für Ensemble und Liveband – bei der Premiere im MuseumsQuartier

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Schreiner und die Kindergarten-Verschwörung

„Aus Fehlern wird man klug – wenn man vorher deppert genug war.“ Kabarettist Clemens Maria Schreiner ist in seinem neuen Programm „Fehlerfrei“ der Ideallinie im Leben auf der Spur. Perfektion ist gefragt – wie im Sport. „Beim 400 Meter-Hürdenlauf sagt auch niemand: Danke Hürde, dass ich an dir wachsen darf.“ Information hilft, Fehler zu vermeiden! Zumindest reden uns Influencer ein, dass wir es alle bis ins Level 100 schaffen können. Genauso die neue KI-Brille, die sogar die Schuhgröße von Julius Cäsar weiß. („XL! Oder doch eher 40?“).

Als Papa einer Tochter will Schreiner natürlich keine Fehler machen. Er liest deshalb die Kinderbücher vorab – und erkennt die Wahrheit hinter „Benjamin Blümchen“ und „Briefe von Felix“. Und er lässt die KI-Brille schwierige Kinderfragen beantworten. („Warum kommt der Bu schneller raus, wenn ich gleichzeitig niese?“) Schließlich endet alles in einer großen Kindergarten-Verschwörung. Fazit: Ist Clemens Michael Schreiner fehlerfrei? Es ist sein bisher persönlichstes Programm – kein Fehler, sich das anzuschauen!

„Fehlerfrei“ im Kabarett Niedermair: Ein neues Level für Clemens Maria Schreiner

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Sprechende Vulva im Kabarett

„Ich heiße Clit/Doris, angenehm!“ Mit ihrem Vulva-Kostüm hat Antonia Stabinger für Aufklärung gesorgt und es sofort „ins Fernsehen“ geschafft. Nun legt sie mit ihrem ersten abendfüllenden Solokabarett „Angenehm“ nach – und schlüpft in weitere Rollen. Stabinger steht nicht nur als „starke Frau hinter erfolgreichen Männern“ auf der Bühne, sondern auch als Schaumbad, Panikattacke und „feministischer Support Act“. Großartig auch, wenn die Oma der Enkelin indiskret ins Gewissen redet, weil sie schon so lange in einer Zweierbeziehung ist. („Willst du nicht Single sein, oder kannst du es nicht?“) Und generell sei Heterosexualität mehr so eine Gewohnheit wie Fleischessen. („So eine saftige Quiche schmeckt oft viel besser als ein vertrocknetes Würstel.“)

Fazit: Mit Kostümen, Liedern, künstlicher Intelligenz und einer enormen Bühnenpräsenz zieht Antonia Stabinger das Publikum sofort in den Bann. Die Aufmerksamkeit nutzt sie, um unangenehme Themen – wie Gleichstellung – äußerst angenehm zu verpacken. Angenehm lustig – die neue Stabinger-Revue im Kabarett Niedermair! 

Clit/Doris: „Ich wurde wegtabuisiert – im Zeitalter der Aufklärung!“

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Dr. Hossa behandelt die Lachmuskeln

Tereza Hossa ist etwas Besonderes – sagen ihre Eltern. Sie ist jedenfalls Tierärztin und Kabarettistin. Bei Dates verrät sie aber meistens nur einen Job. Ihr Gegenüber ist schon damit überfordert, dass sie überhaupt arbeitet. In ihrem neuen Programm „Tagada“ erzählt Dr. Hossa aus ihrem pointenreichen Leben. Von der Geburt („Warum schreit die so?“) zur Großtierärztin („Männer finden es cool, dass ich Kühe fiste!“) bis zur Kabarettistin („Linke Männer haben auch eine Existenzberechtigung“).

Definitv etwas Besonderes sind ihre Erlebnisse am Land. Wo Männer im Suff auf Katzen schießen und man gegen die Langweile „entweder rechtsradikal wird oder einen Verein gründet“. Hossa schreckt nicht davor zurück, gegen Hundewelpen und Achselhaare zu argumentieren – und dreht so manche Rolle um. So verschickt sie stolz Nacktfotos und versteht nicht, warum sie kein Recht auf Geschlechtsverkehr hat. Fazit: Wenn Dr. Hossa ordiniert, geht das auf die Lachmuskeln! Keine Wartezeit bei den Pointen.

Eine Sache allein kann niemals alle Probleme lösen, weiß Dr. Hossa. „Zum Beispiel ein Mann.“

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„Hosea“- Im Namen des Vaters

Hosea Ratschillers neues Kabarettprogramm heißt „Hosea“. Es geht aber nicht nur um den Namen des Vaters, sondern um sein Leben an sich: „Meine Frau und ich sind selbstständig. Unsere Kinder nicht.“ Mit persönlichen Geschichten behandelt der 41-jährige gebürtige Kärntner die großen Themen der Zeit. Am Standesamt lernt er, dass der Taufschein gar kein echtes Dokument ist, im Zug sitzt er mit seinen bröselnd-lärmenden Kindern lieber im Businessabteil. („Besser wenige Gstopfte belästigen statt die arbeitende Bevölkerung in der zweiten Klasse.“) Auf die Heimat ist er nicht wirklich stolz. („Kultur, schöne Landschaft und Essen gibt es überall, wenn man ein bisschen sucht.“) Fazit: Ein Abend voll menschlicher statt künstlicher Intelligenz. („Wenn ich selber denke, wird es schnell peinlich. Das, was ich heute erzähle – darüber habe ich ein Jahr lang nachgedacht!“) Schlaue Gedanken und Gags, die zum Dauerschmunzeln einladen – und zum herzhaft Lachen. Hosea in der Höhe! Gehet hin!

Hosea Ratschiller – ein erwachsener Lausbub im Kabarett Niedermair

RaDeschnig spielen bis zum Untergang

Draußen Untergang, drinnen Unterhaltung: Was das Streichquartett auf der Titanic vorgemacht hat, führt das Kabarettduo RaDeschnig nun heldenhaft fort. Im neuen Programm „Säulenheilig“ sitzen die beiden Zwillingsschwestern Nicole und Birgit RaDeschnig jede aktuelle (und politische) Katastrophe aus. („Unsere Sitze werden besser, unsere Haltung schlechter.“)

Sie nehmen Klarinette, Akkordeon und Lachsbrötchen zur Hand – und schwimmen synchron durch den Pädagogik- und Pfegebereich („Mir geht die Luft aus“). Sie tragen Mikrodramen vor – etwa zum Thema Artensterben („Auster-Traum“) und zeigen auf, wo Kinder abstürzen („Schaukel, Fenster, Mittelstand“). Vom Geflügel-Charity-Clubbing („Ente gut, alles gut“), einer solistisch virtuos vorgetragenen US-Hymne für Celebreties im Gailtal („Sie waren da, der Winter nicht“) bis zum Gemeinschafts-Pop-Projekt „Austria for heritage“ („Wenn der Nachlass nachlässt“) – RaDeschnig geben für ihr Publikum alles!

Fazit: Sie sind Heldinnen, wie wir sie spätestens seit der Pandemie kennen. Als systemrelevantes Kabarettduo, das sich in den Dienst der guten Sache stellt, bekommen Nicole und Birgit RaDeschnig nun endlich das, was sie verdienen: Applaus!

Synchronschwimmen im Kabarett Niedermair – Nicole und Birgit RaDeschnig (Regie: Magda Leeb)