„Ich heiße Clit/Doris, angenehm!“ Mit ihrem Vulva-Kostüm hat Antonia Stabinger für Aufklärung gesorgt und es sofort „ins Fernsehen“ geschafft. Nun legt sie mit ihrem ersten abendfüllenden Solokabarett „Angenehm“ nach – und schlüpft in weitere Rollen. Stabinger steht nicht nur als „starke Frau hinter erfolgreichen Männern“ auf der Bühne, sondern auch als Schaumbad, Panikattacke und „feministischer Support Act“. Großartig auch, wenn die Oma der Enkelin indiskret ins Gewissen redet, weil sie schon so lange in einer Zweierbeziehung ist. („Willst du nicht Single sein, oder kannst du es nicht?“) Und generell sei Heterosexualität mehr so eine Gewohnheit wie Fleischessen. („So eine saftige Quiche schmeckt oft viel besser als ein vertrocknetes Würstel.“)
Fazit: Mit Kostümen, Liedern, künstlicher Intelligenz und einer enormen Bühnenpräsenz zieht Antonia Stabinger das Publikum sofort in den Bann. Die Aufmerksamkeit nutzt sie, um unangenehme Themen – wie Gleichstellung – äußerst angenehm zu verpacken. Angenehm lustig – die neue Stabinger-Revue im Kabarett Niedermair!
Clit/Doris: „Ich wurde wegtabuisiert – im Zeitalter der Aufklärung!“
Tereza Hossa ist etwas Besonderes – sagen ihre Eltern. Sie ist jedenfalls Tierärztin und Kabarettistin. Bei Dates verrät sie aber meistens nur einen Job. Ihr Gegenüber ist schon damit überfordert, dass sie überhaupt arbeitet. In ihrem neuen Programm „Tagada“ erzählt Dr. Hossa aus ihrem pointenreichen Leben. Von der Geburt („Warum schreit die so?“) zur Großtierärztin („Männer finden es cool, dass ich Kühe fiste!“) bis zur Kabarettistin („Linke Männer haben auch eine Existenzberechtigung“).
Definitv etwas Besonderes sind ihre Erlebnisse am Land. Wo Männer im Suff auf Katzen schießen und man gegen die Langweile „entweder rechtsradikal wird oder einen Verein gründet“. Hossa schreckt nicht davor zurück, gegen Hundewelpen und Achselhaare zu argumentieren – und dreht so manche Rolle um. So verschickt sie stolz Nacktfotos und versteht nicht, warum sie kein Recht auf Geschlechtsverkehr hat. Fazit: Wenn Dr. Hossa ordiniert, geht das auf die Lachmuskeln! Keine Wartezeit bei den Pointen.
Eine Sache allein kann niemals alle Probleme lösen, weiß Dr. Hossa. „Zum Beispiel ein Mann.“
Im Buch „Inge – Bomben, Schmuck und Strümpfe“ blickt meine 92-jährige Großtante auf ihr Leben zurück. Es ist eine Geschichte über Krieg und Nazis, Tschechen und Russen, über eine riskante Flucht, einen falschen Sohn und einen Neubeginn in Oberösterreich. Es ist die Geschichte einer starken Frau, wie es sie wohl in vielen Familien gegeben hat.
Oft kennen wir nur wenige – die immer gleichen – Anekdoten unserer Vorfahren, selten aber die Hintergründe und Zusammenhänge. Mir ist es nicht anders gegangen, bevor mir Inge – als eine der letzten Zeitzeuginnen – detailliert aus ihrem abenteuerlichen Leben erzählte. Das daraus entstandene Buch ist vielleicht auch eine Einladung, nach spannenden Geschichten in der eigenen Familie zu suchen. Zumindest ist das eine Reaktion mancher Leserinnen und Leser. Sie haben Inges Buch zum Anlass genommen, um selbst einmal nachzufragen. Wie großartig!
Hier ein Best-of der echten Nachrichten von Leserinnen und Lesern:
1) Ich hab „Inge“ meiner Oma zum Geburtstag geschenkt. Sie hatte es in wenigen Tagen ausgelesen. Ich hab es dann natürlich auch gelesen. Es hat mir guten Gesprächsstoff für einen tiefgründigeren Austausch mit meiner Oma über ihre Erfahrungen damals geliefert. Danke dafür.
2) Die ganze Woche hat mich „Inge“ begleitet. Ich bin fasziniert und war teilweise sehr traurig. Unglaublich, was diese Generation mitgemacht hat. Wir können uns glücklich schätzen.
3) Ich weiß nicht, wann ich zuletzt von einem Buch so gefesselt war. Diese Perspektive auf Krieg und Nachkriegszeit war mir bisher völlig fremd, was eigentlich arg ist.
4) Inge und ihre Familie sind mir nahe gegangen. Ich kenne ähnliche Geschichten. Nur leider nicht annähernd so detailliert.
5) Es hat mich richtig gecatcht. Ich musste an manchen Stellen lachen aufgrund des trockenen Humors, habe mitgelitten und geheult. Richtig bewegend. Meine Eltern haben sich das Buch jetzt geschnappt, weil sie so neugierig waren.
6) Es hat mich in vielen Punkten an meine Familie erinnert – an die Erzählungen von Eltern und Geschwistern. (80-jährige Leserin)
7) Obwohl das Thema ernst ist und deine Vorfahren viel Mut und Glück haben mussten, waren sie mit Humor und Lebenskraft gesegnet, was wunderbar rauskommt! Für uns EnnserInnen, die mit den „Gablonzern“ aufgewachsen sind, ist es natürlich doppelt interessant.
8) Das Buch habe ich für eine liebe Freundin und ebenso Vertriebene besorgt – und freilich gelesen. Meine sehr geringen Kenntnisse um diese Zeit mit all ihrer Dramatik (und da ändert sich leider gar nichts) kenne ich aus den Erzählungen…
9) In einem Zug ausgelesen. Schicksale eingebettet in eine schwere Zeit berühren und man ist froh um die Gnade der späten Geburt. Zeitzeugenberichte sind wertvoll. Sie bilden die Geschichte der Betroffenen ab und nicht jene der Herrscher, Feldherren und Politiker.
10) Meine Oma war damals erst neun Jahre alt, als sie geflüchtet sind – in einem Viehwaggon. Das Buch hat sie innerhalb von zwei Tagen ausgelesen. Und sonst schaut sie normal leider immer nur fern – also das heißt was!
Reaktionen auf das Buch „Inge: Bomben, Schmuck und Strümpfe“ (Florian Kobler)
Inge bei Thalia. Inge bei Amazon. Inge gibts in jeder Buchhandlung.
Hosea Ratschillers neues Kabarettprogramm heißt „Hosea“. Es geht aber nicht nur um den Namen des Vaters, sondern um sein Leben an sich: „Meine Frau und ich sind selbstständig. Unsere Kinder nicht.“ Mit persönlichen Geschichten behandelt der 41-jährige gebürtige Kärntner die großen Themen der Zeit. Am Standesamt lernt er, dass der Taufschein gar kein echtes Dokument ist, im Zug sitzt er mit seinen bröselnd-lärmenden Kindern lieber im Businessabteil. („Besser wenige Gstopfte belästigen statt die arbeitende Bevölkerung in der zweiten Klasse.“) Auf die Heimat ist er nicht wirklich stolz. („Kultur, schöne Landschaft und Essen gibt es überall, wenn man ein bisschen sucht.“) Fazit: Ein Abend voll menschlicher statt künstlicher Intelligenz. („Wenn ich selber denke, wird es schnell peinlich. Das, was ich heute erzähle – darüber habe ich ein Jahr lang nachgedacht!“) Schlaue Gedanken und Gags, die zum Dauerschmunzeln einladen – und zum herzhaft Lachen. Hosea in der Höhe! Gehet hin!
Draußen Untergang, drinnen Unterhaltung: Was das Streichquartett auf der Titanic vorgemacht hat, führt das Kabarettduo RaDeschnig nun heldenhaft fort. Im neuen Programm „Säulenheilig“ sitzen die beiden Zwillingsschwestern Nicole und Birgit RaDeschnig jede aktuelle (und politische) Katastrophe aus. („Unsere Sitze werden besser, unsere Haltung schlechter.“)
Sie nehmen Klarinette, Akkordeon und Lachsbrötchen zur Hand – und schwimmen synchron durch den Pädagogik- und Pfegebereich („Mir geht die Luft aus“). Sie tragen Mikrodramen vor – etwa zum Thema Artensterben („Auster-Traum“) und zeigen auf, wo Kinder abstürzen („Schaukel, Fenster, Mittelstand“). Vom Geflügel-Charity-Clubbing („Ente gut, alles gut“), einer solistisch virtuos vorgetragenen US-Hymne für Celebreties im Gailtal („Sie waren da, der Winter nicht“) bis zum Gemeinschafts-Pop-Projekt „Austria for heritage“ („Wenn der Nachlass nachlässt“) – RaDeschnig geben für ihr Publikum alles!
Fazit: Sie sind Heldinnen, wie wir sie spätestens seit der Pandemie kennen. Als systemrelevantes Kabarettduo, das sich in den Dienst der guten Sache stellt, bekommen Nicole und Birgit RaDeschnig nun endlich das, was sie verdienen: Applaus!
Synchronschwimmen im Kabarett Niedermair – Nicole und Birgit RaDeschnig (Regie: Magda Leeb)
Wenn sich das Kabarett Niedermair mit bunten Lichtern und lauten Après-Ski-Hits ins Kitzloch verwandelt – steht Xaver Schumacher auf der Bühne. In seinem Programm „Ischgl“ lässt der Tiroler die Pandemie und die damit verbundenen Entscheidungen in Ischgl („Alles richtig gemacht“) noch einmal Revue passieren. Corona – was tun? „Kein Bussi mehr für die Stammgäste – und am Abend ein Schnapserl.“
Dabei geht es nicht ums Anpatzen der Heimat. Denn „das Virus war kein Tiroler. Das war ein Ausländer!“ Überhaupt war der Corona-Cluster in Ischgl einer dieser Momente, „wo man sieht, wie aus Touristen plötzlich Ausländer werden“. Die Pandemie brachte aber auch gute Ansätze: Systemrelevante Berufe wurden beklatscht, man hörte erstmals von „vulnerablen Gruppen“, und Pflegekräfte, Erntehelfer sowie Saisonarbeiter aus dem Osten waren plötzlich in den Medien! „Das hat es noch nie gegeben! Das war kurz bevor es geheißen hat – wir müssen zurück in die Normalität.“ Fazit: Schumacher präsentiert eine Mischung aus Kabarett und analytisch-kritisch-satirischem Vortrag – getreu dem Motto „Lache, wenn du kannst“ oder wie sie in Ischgl warnen: „Relax, if you can“.
Lachen in Kriegszeiten. Kein Widerspruch. Kabarett sei nicht dazu da, den Kopf auszuschalten, sondern das Gegenteil, sagen Pigor & Eichhorn. Das Berliner Kabarett- und Chanson-Duo war kürzlich mit seinem Jubiläumsprogramm „Volumen X“ in Österreich. Den Krieg in der Ukraine behandeln sie nicht, aber sie singen über politische Korrektheit, den Klimawandel und Rassismus:
„Ich habe blaue Augen und mein Deutsch ist perfekt, ich beantworte die Fragen präzise und korrekt, doch ich find es nicht korrekt wie man mich diskriminiert, weil man am Bahnhof immer nur die Schwarzen kontrolliert. Kontrolliert mich, ich bin von hier…!„
Benedikt Eichhorn und Thomas Pigor – samt Mikrofon mit Corona-Schutzschild – im Kabarett Niedermair
Vor allem wollen Pigor & Eichhorn im neuen Programm aber aufzeigen, welche Scheinargumente in politischen Diskussionen angewendet werden, um unangenehme Inhalte zu vermeiden, andere Argumente zu zerstören oder zu lenken: „Wenn man Mitleid erzeugt, um eine strengere Beurteilung zu vermeiden. Wenn man das Gegenüber diskreditiert und gar nicht auf das Argument eingeht. Oder wenn man Dasselbe immer und immer wiederholt. „Der Lieblingssatz des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war ja: Die Wahl wurde gestohlen, die Wahl wurde gestohlen…“. Fazit: Musikkabarett, das bildet! Mehr zu den rhetorischen Tricks.
Fast hätte es Jungmama Chrissi Buchmasser nicht zu ihrer eigenen Kabarett-Premiere ins Niedermair nach Wien geschafft. „Ich kann den armen Scheißer ja nicht allein zuhause lassen – mit unserem Baby!“ Also muss der Tontechniker während der Vorstellung den Babysitter spielen.
„Braves Kind“ nennt die 33-jährige Grazerin ihr Debütprogramm. Dabei erzählt sie schonungslos die Wahrheit übers Kinderkriegen und die Folgen – für Mütter. Mit Gitarre in der Hand stellt Buchmasser die richtigen Fragen: „Wenn in Bilderbüchern nur Vater und Kind vorkommen – warum denke ich dann automatisch, dass die Mutter tot sein muss? Warum heißt es Frauenfußball und nicht Fußball? Warum sind im Fernsehen beim Kabarettgipfel noch immer fast nur Zipfel zu sehen?“
Fazit: Ab sofort sollte für werdende Eltern neben dem Geburtsvorbereitungskurs eine Vorstellung von „Braves Kind“ verpflichtend sein. Sie werden Humor dringend brauchen. Auch allen anderen sei das Programm empfohlen. Chrissi Buchmasser schafft es, das körperlich, gesellschaftlich und politisch heikle Thema Kinder authentisch, sympathisch und lustig auf die Bühne zu bringen. „Werdet jetzt Fan, bevor ich Mainstream bin.“
Chrissi Buchmasser liebt ihren einjährigen „Christus“ – und singt ihm Kinderlieder im Stil von Pizzera & Jaus, Bilderbuch, Wanda und Helene Fischer vor.
Von der Kreuzfahrtschiff-Bar „Alk-Aida“, wo sich schon einige „weggesprengt“ haben, bis zur „Ofen-Paarung des Johannes“: Benedikt Mitmannsgruber setzt auch in seinem zweiten Kabarettprogramm „Der seltsame Fall des Benedikt Mitmannsgruber“ (Regie: Petra Dobetsberger) stark auf Wortwitze. Natürlich sind auch sein Schnauzer, der Norweger-Pullover und – leider – die Powerpoint-Präsentation wieder mit dabei.
Mitmannsgruber spielt den gleichnamigen Antihelden aus dem Mühlviertel, der nicht erwachsen werden will. („Meine Mama hat die Unterhose gewaschen, ich bin erst 26 Jahre alt“). Er berichtet von seinem Heimatort, in dem es einen „klassischen Rassisten-Überschuss“, aber keine Ausländer gibt („Sehr viel Nachfrage, kein Angebot.“), von folgenreichen Fehlern ärztlicher Ferndiagnosen und öffnet dem Publikum mit Verschwörungstheorien die Augen. „Wacht auf!“ Top: Selbst in Coronazeiten kann nur empfohlen werden, sich in sein „ungetestetes“ Programm zu wagen, auch wenn er selbst „noch nicht lange am Markt ist“. Der Tagespresse-Autor bringt böse Pointen und Wortwitze im Zwei-Satz-Rhythmus. Ein Höhenflug des Benedikt Mitmannsgruber!
Benedikt Mitmannsgruber bei seiner Wien-Premiere im Kabarett Niedermair: „Wie nennt man im Mühlviertel Veganer? – Trottel.“
Schockmoment bei der heurigen Hollywood in Vienna-Gala. Organisatorin Sandra Tomek ging auf die Bühne und verkündete, dass es aktuell ungewiss sei, ob die Filmmusik-Gala auch in Zukunft stattfinden könne. Danach bedankte sie sich bei ihrem Produktionsteam und bat es auf die Bühne. Der Hilferuf vor Galagästen, Sponsoren und Stadt kam nach Corona und anderen Krisen wenig überraschend. Hollywood in Vienna ist ein Klassik-Großevent, das es irgendwie zu finanzieren gilt.
Schon in den vergangenen Jahren gingen die Ticketpreise nach oben, die inoffizielle Generalprobe am Vortag wurde als Konzert verkauft, die weltweite Fernsehverwertung wurde wichtiger und dadurch der Showanteil der Gala größer. (Heuer mit tanzenden Nonnen, jodelnden Cowboys und Sologesang mit schönen Kleidern bei fast jeder Nummer.) Zudem setzte der Filmpreis auf große Namen wie Hans Zimmer und heuer die Disney-Legende Alan Menken. Frauen wurden bisher nicht ausgezeichnet.
Top: Hollywood in Vienna ist nach wie vor bei weitem das beste Filmmusik-Konzert, das es hierzulande zu erleben gibt. Das liegt an der wunderbaren Akustik des Konzerthauses, an der Qualität des ORF Radio-Symphonieorchesters, an den Solistinnen und Solisten, den Visuals und Lichtstimmungen – und an der großartigen Organisation von Sandra Tomek und ihrem Team. Möge es weitergehen! Es wäre unendlich schade um dieses Konzert.