Elli Bauer sucht einen Eislaufpinguin

„Überschnurchdittlich“ heißt das zweite Soloprogramm von Elli Bauer. Das Leben der Kabarettistin ist außer Kontrolle. Sie hat den Fugenaufsatz ihres Staubsaugers verloren! („Wer verliert sowas? Und wo?“) Elli sucht etwas, das ihr Halt gibt – wie ein Eislaufpinguin. Sie hat viel probiert, täglich Ö1 hören zum Beispiel („Baldrian der Nation“). Aber selbst da kann sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass alles so bleibt, wie es schon immer war. „Hip-Hop auf Ö1 ist, wie wenn dir jemand bei McDonalds einen Apfel in die Hand drückt.“

Noch dazu ist Elli aus der Kirche ausgetreten und muss sich daher ihren eigenen Festivitätenkalender zusammenstellen. „Was machst du zu Weihnachten als Atheistin?“ Auch kirchlich heiraten wird schwierig, aber Elli ist davon ohnehin nicht überzeugt: „Der Vater hat die Tochter im Arm und übergibt sie einem anderen Mann – wie sich das so gehört fürs 21. Jahrhundert!“

Elli Bauer lieferte bei ihrer Premiere in der Wiener Kulisse viele Erkenntnisse wie: Je mehr wir uns aufregen, desto mehr rutschen wir vom Dialekt (Des derf jo ned woar sei) ins Hochdeutsch (DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!)

Fazit: Elli Bauer lässt in ihrem zweiten Programm die Gitarre weg und erzählt stattdessen fast flüsternd vom gesellschaftlichen Wunsch nach einfachen Antworten, wie wir daran scheitern, es aber nicht wahrhaben wollen. Ein Plädoyer gegen das Perfektsein („Ein Kinder Pingui ab und zu ist voll ok“, „Deadlines sind Vorschläge“). Ein überschnurchdittlicher Kabarettabend!

Bauers Pointen-Präsentation

„Wo ist Michi Tschuggnall hin? Was ist in Gummibärli drin? Die Fragen stell ich mir – beim Sex mit dir“, singt Elli Bauer. „Ich habe ein paar Spam-Mails, die dir helfen bei deinem Problem. Die Tür ist gleich hinter dir, wenn du kommst, kannst du gleich gehen.“ In ihrem ersten Solokabarett „Stoffsackerlspruch“ erzählt die Gewinnerin der Kleinkunstkartoffel 2018 über faden Sex, Körperbehaarung („Ich hab allein wegen der Batterien in meinem Schamhaartrimmer eine Biber-Bonus-Card.“),  das „Scheißen“ in freier Natur und den „kalten“ Frauenarztbesuch. Unangenehme Themen also, die die junge Grazerin erfrischend ehrlich und lustig aufbereitet. Elli Bauer ist eine große Liedermacherin, die nebenbei Anekdoten aus ihrem Leben erzählt – von ihrer schottischen Mutter bis zur dementen Oma – und mit viel Sprachwitz Stoffsackerlsprüche hinterfrägt. Fazit: Sehr sympathisch! Große Empfehlung – vor allem für Millennials und Englischlehrer!

Elli Bauer bei ihrer Wien-Premiere von "Stoffsackerlspruch" in der Kulisse

Elli Bauer bei ihrer Wien-Premiere von „Stoffsackerlspruch“ in der Kulisse

Elli Bauer: „Frauen im Kabarett werden schnell in eine Rolle gedrängt“

Elli Bauer ist 31 Jahre alt, hat Sozialarbeit studiert und arbeitet unter anderem als Hip-Hop-Trainerin in Graz. Vor wenigen Tagen gewann sie die beiden Kabarettwettbewerbe Ennser Kleinkunstkartoffel und Freistädter Frischling. Wie die Halbschottin zum Kabarett gekommen ist und was ihr an dieser „Männerdomäne“ missfällt, verrät sie im Interview mit kulturblogger.at.

Elli Bauer

Elli Bauers Ziel auf der Bühne ist es immer, eine gute Show abzuliefern: „Was auf keinen Fall fehlen darf: Selbstironie und eine Beziehung zum Publikum.“

Du bist nach elf Jahren die allererste Gewinnerin der Ennser Kleinkunstkartoffel. Kabarett gilt überhaupt als Männerdomäne. Warum ist das so?
Zunächst gilt der Grund, der für alle Männerdomänen gilt: Man reicht sich den Kelch untereinander weiter. Ein Muster, das einfach noch nicht durchbrochen wurde. Andererseits beobachte ich, dass Frauen im Kabarett sehr schnell in eine bestimmte Rolle gedrängt werden und diese auch teilweise selbst annehmen. Leider bedient diese oft genau die Klischees, von denen wir uns versuchen zu verabschieden: hilflos, dümmlich, hysterisch, männer- bzw. schokonarrisch, einkaufssüchtig. Selbst wenn es als emanzipiert verkauft wird, ist es meist dennoch schrill im Ton. Die Frauenrollen können dann wie Karikaturen wirken und geben selten Einblicke in wie das Leben für viele Frauen tatsächlich ist.

„Frauen dürfen sich in vielen Lebensbereichen weniger Fehler oder Menschlichkeiten erlauben, um Wertschätzung für ihr Können zu bekommen.“

Elli Bauer, Kabarettistin

Ich denke, dass es Frauen generell schwerer fällt mit etwas Unfertigem aufzutreten, da sie definitiv schneller und stärker negativ beurteilt werden. Frauen dürfen sich in vielen Lebensbereichen weniger Fehler oder Menschlichkeiten erlauben, um Wertschätzung für ihr Können zu bekommen. Männer hingegen arbeiten oft eher nach dem Schau-ma-mal-Prinzip und stellen sich einfach auf die Bühne.

Eines ist ganz klar: Kabarett ist nicht nur Gabe sondern, wie alle Bühnenkünste, eindeutig auch Übungssache. Üben heißt in diesem Fall sich einfach auf die Bühne stellen und zu reden beginnen. Meiner Erfahrung nach machen das Männer unbedarfter als Frauen, werden somit schneller besser und treten öfter auf. Generell missfällt mir diese Situation natürlich, da sie nicht ausgewogen und geschlechterbezogen ist. Ich selbst kann aus meinen persönlichen Erfahrungen aber nichts Negatives berichten. Ich bin mir meiner Sache aber auch sehr sicher.

Du singst etwa über Frauenarzt-Besuche. Wie wählst du deine Themen aus?
Die Themen meiner Lieder und meines Programms an sich sind immer Erfahrungen oder Beobachtungen, die ich selbst gemacht habe. Dementsprechend authentisch kann ich dann auch darüber berichten. Ich lege auch gern ein Augenmerk auf Dinge, die sehr viele Menschen betreffen, über die aber eher selten gesprochen wird.  In meinem Programm ist auch Politisches dabei.

Wie bist du zum Kabarett gekommen?
Als Halbschottin bin ich mit sehr viel britischer Comedy aufgewachsen und habe es immer schon geliebt. Vor allem die sogenannte observational comedy. Ich habe immer schon gerne Leute zum Lachen gebracht und auch immer schon gerne Musik gemacht. Irgendwann habe ich dann beides kombiniert und habe mich damit auf die Bühne getraut – und das gleich beim Kleinkunstvogel 2013. Als Test quasi, ob irgendwen interessiert, was ich darbiete. Als ich dann im Finale nur knapp den Publikumsvogel nicht gewann, war mir klar, dass das was werden könnte.