Mit BlöZinger durch die Geschichte

Das Kabarettduo BlöZinger hat ein eigenes Genre entwickelt: das Kopfkino-Kabarett. Für das Publikum spielt sich ein Film mit allen Details ab, obwohl es kaum Requisiten auf der Bühne gibt. So auch wieder im neuen Programm „Zeit“ (Regie: Roland Düringer). Es gibt drei Handlungsstränge und Zeiten, zwischen denen hin- und hergezappt wird.

1) Robert Blöchl und Roland Penzinger spielen sich selbst, erzählen in der Künstlergarderobe von ihren Lockdown-Aktivitäten und vertreiben sich die Zeit bis zum Auftritt mit Quizfragen über historische Ereignisse. 2) Zeitgleich skypt der sterbende Großvati mit dem Enkel Pezi und erzählt vom Verliebtsein. 3) Das Publikum ist auch in der Nachkriegszeit live dabei, wie er in jungen Jahren im Wiener Café Westend eine Philosophin kennenlernt.

Eine geschickt verwobene Komödie voller Gags, Pantomime und Überraschungen. Wenn Penzinger auf den Sessel steigt, den Rauchmelder deaktiviert – und sich dabei wie der Held einer Mond-Mission fühlt, kann man sich vor Lachen kaum halten. Und wie in allen BlöZinger-Programmen geht es erneut einer Katze an den Kragen. Top: „Zeit“ könnte ein zeitloser Kabarett-Klassiker werden.

BlöZinger feierten in der Wiener Kulisse Premiere mit „Zeit“ – coronabedingt mehr als ein halbes Jahr verspätet.

Berni Wagners Bio-Kabarett

Als die Kabarettbühnen geschlossen waren, trat Berni Wagner im Autokino auf – „ein Klima-Benefizabend!“ Nun holte der 29-Jährige die Wien-Premiere seines vierten Soloprogramms „Galápagos“ (Regie: Philipp Vollnhofer) im Kabarett Niedermair nach. Der studierte Biologe hinterfragt darin bequeme Meinungen und vermeintliche Lösungen in der Klimadebatte. Bioläden vergleicht er mit rätselhaften Escape-Rooms: Artgerecht? Regional? Bio? Was soll das eigentlich bedeuten? Was ist OK? Und warum versuchen wir, den Handel daran zu hindern, uns zu Komplizen des globalen Verbrechens zu machen? Die bessere Frage wäre doch: Warum darf der Handel das überhaupt?

Berni Wagner im "Tarnanzug für einen eckigen Wald"
Berni Wagner im „Tarnanzug für einen eckigen Wald“

Wagner fürchtet, dass wir als jene Generationen in die Geschichte eingehen, „die lieber den Rest ihres Lebens Bäche schwitzen, als dass sie sich kurz aus dem Lieblingssessel hochhieven, um die Heizung runterzudrehen.“ Aber was passiert, wenn unsere Beziehung mit der Erde in die Brüche geht? Schon bei der unbedeutenden Affäre mit dem Mond haben wir „elf Missionen gebraucht, um unseren kleinen Astronauten hochzukriegen.“

Fazit: Blitzgescheit, skurril und unglaublich unterhaltsam bringt Berni Wagner die Klimakrise auf die Bühne. Er schafft es, von Mutantenwölfen aus Tschernobyl, veganen Bio-Dino-Chicken-Nuggets und der Promenadenmischung Mensch zu erzählen – und zwar so, dass alles Sinn ergibt. Nachhaltiges und gut konsumierbares Bio-Kabarett!

Beethoven für Rätselfans

Beethoven bewegt heißt es dieses Jahr im Kunsthistorischen Museum Wien – und die Sonderausstellung hält, was sie verspricht. Erst wandern 21 Euro für Eintritt und Timeslot aus dem Börsl. Dafür klappt der hängende Konzertflügel von Rebecca Horn alle paar Minuten seinen Deckel auf und spuckt die Tasten aus. Daneben hängen grafisch dargestellte Beethoven-Sonaten (für Rätselfans?). Wen das nicht beeindruckt, der wird im nächsten Raum Augen machen. Dort wird – Trommelwirbel – der alte Parkettboden aus Beethovens Wohnung im Schwarzspanierhaus ausgestellt. Eine Reliquie, die man gesehen haben muss. Und im letzten Raum werden Fragmente aus „Für Elise“ und Co. live gesungen und getanzt. Fazit: Bewegend!

Das Klavier zeigt den Beethoven-Fans die Zunge (Concert for Anarchy von Rebecca Horn)

Wer ist Josef Jöchl?

Josef Jöchl stellt sich nicht gerne vor. Bei der Premiere seines ersten Soloprogramms „Nobody“ im Kabarett Niedermair blieb ihm aber nichts anderes übrig: Der Angestellte geht auf die vierzig zu, hat fünf Geschwister, ist daher bei Autofahrten als Kind immer im Kofferraum gesessen und kennt Fernbedienungen nur mit Isolierband geklebt. Er trägt gerne weiß, kauft Anti-Aging-Cremen, bezeichnet „Who let the dogs out“ als sein Lieblingslied – und hat sich vor seinen Tiroler Freunden und Eltern schon früh geoutet. „Es stimmt, was die Leute sagen…“, hatte er zögernd gesagt. „Ich will nicht mehr Skifahren.“ Seine Mama hat nur ein bisschen geweint. Sie hätte gerne Enkelkinder gehabt, die gerne Skifahren.

Kurz vor dem zweiten Lockdown: Josef Jöchl feiert Premiere mit „Nobody“

Ständig muss man sich vorstellen: bei Bewerbungsgesprächen, bei Tinderdates, als Millionenshow-Kandidat und bei Feiern. („Früher hat es bei Partys unterschiedliches Knabbergebäck gegeben. Jetzt, in meinem Alter, nur noch Grissini.“) Doch wer ist man und ist das so wichtig? Glaubt man an Sternzeichen oder Psychotests, auch wenn sie einem nicht schmeicheln? Welche Pille würde man im Film „The Matrix“ nehmen?

Josef Jöchl liefert mit „Nobody“ eine lockere, unterhaltsame Vorstellung. Er erzählt von seinen Beziehungen, dass ihm Yoga geholfen hat, „vernünftige Intervalle zum Zehennägel-Schneiden zu finden“, und, dass man „weder ins Lebensmittelgeschäft einkaufen gehen soll, wenn man ein bisschen hungrig ist, noch in den Drogeriemarkt, wenn man ein bisschen schiach ist“.

Hip-Hop-Kabarett mit Schredder

„Ich hab den Text nicht vergessen – ich hab ihn eh mit!“, sagt David Scheid und blickt auf seinen Schummelzettel am Bühnentisch. Sein Kabarettprogramm „Entschuldigung, haben Sie auch 1 fetteren Beat?“ hat er schon länger nicht mehr gespielt. Am Samstag war es in der „Late Night“-Schiene des Kabarett Niedermairs wieder einmal so weit.

Scheid sei in seiner Kindheit wegen seines Nachnamens auch Fut genannt worden und schon als Baby mit Cloud-Rap in Kontakt gekommen. Seine Eltern hätten „Gucci, Gucci!“ in den Kinderwagen hineingesprochen. Der Hip Hop lässt ihn seither nicht mehr los und so steht er mit Plattenspielern auf der Kabarettbühne. Dabei erfährt sein junges Publikum, dass er in Niederösterreich assozialisiert worden ist und sich „Schau nie in den Keller“ rückwärts abgespielt anhört wie „Re leck mi in Oasch.“

Schredderaffäre auf der Bühne: David Scheid als Banksy des Kabaretts

Und es wird politisch: Scheid liest genussvoll-theatralisch aus der offiziellen Sebastian-Kurz-Biografie, schreddert die Seiten und „leakt“ ein geplantes Kinderlied der damaligen türkis-blauen Regierung, das in der Schule beim Buchstabieren-Lernen helfen hätte sollen. „A wie Abschiebung, E wie Einzelfall, H wie Hackerangriff, I wie Identitäre, L wie Liederbuch, M wie Misstrauensantrag, O wie Orbanisierung, R wie rechtsradikal, S wie schreddern, W wie Widerbetätigung…“ – gemixt mit Originaltönen aus den TV-Nachrichten. Fazit: Fette Late-Night-Unterhaltung – besonders, aber nicht nur für Hip-Hop-Fans. Noch eine Empfehlung: Weil David Scheid „sein Leben an den ORF verkauft hat“, ist er ab Oktober wieder in der Serie „Dave“ zu sehen, wie er versucht ein Instagram-Influencer zu werden.

Wunderl will ins Fernsehen

Im Kabarett sitzen ist ungesund. Nicht wegen Corona, sondern wegen des Sitzens. Das sei schließlich das neue Rauchen. „Todesfalle Sesselkreis“ könnte eine RTL-Nachrichten-Schlagzeile lauten, meint Kabarettistin Patrizia Wunderl. In ihrem ersten Solo-Kabarettprogramm „Silber“ verkörpert sie eine Mitte-Dreißig-Jährige, die gerne einmal Erste wäre – und Karriere beim Fernsehen machen möchte. Noch wohnt sie bei der Mama in der Döblinger Villa, entrümpelt altes Spielzeug und erinnert sich dabei an ihre Kindheit in den 90ern – samt Bravo Hits, Tamagotchi und Wetten, dass..?. „Hast du Klavier geübt?“, wurde sie von der Mama immer gerügt. „Lüg mich nicht an! Der Fernseher ist ganz heiß!“

Patrizia Wunderl setzt bei ihrem Solokabarett im Theater am Alsergrund auch auf Nostalgie

Die ausgebildete Schauspielerin sieht gerne und viel fern („Bei Starmania hat man am Festnetz für Leute im Fernsehen angerufen, damit die dann CDs verkaufen können – Begriffe, die viele Jugendliche jetzt googeln müssen.“), zappt aber auch zu anderen Medien wie Radio („Ein Ö3ver meldet, dass es auf beiden Fahrbahnen schneit.“) und Instagram („Gegen Influencer brauchen wir auch bald eine Impfung“), streift dabei Themen wie Kinder, Kirche und Klimawandel und schlüpft in entsprechend viele Rollen („Was macht ein arbeitsloser Schauspieler? Spielt keine Rolle!“). Fazit: Patrizia Wunderl parodiert, predigt, moderiert, tanzt – und unterhält pausenlos. Sie hat sich gute Quoten verdient!

David Kebekus: Jesus der Comedy

Der deutsche Comedian David Kebekus spielt seit vier Jahren sein Solokabarett „Aha? Egal.“ Am Dienstag feierte er damit vor rund 30 Personen Österreich-Premiere im Kabarett Niedermair. „Eigentlich sind wir heute ausverkauft, aber es sind nicht alle gekommen. Egal, Hauptsache bezahlt“, lautete einer der wenigen Corona-Witze des Abends.

Ansonsten drehen sich seine Themen um Bewährtes mit frischen Gags: Beziehungen („Wer Tandem fährt, sagt dem Partner eigentlich nur: Okay, machen wir einen Ausflug. Das einzige, was ich nicht sehen will, ist dein Gesicht.“), Erotik („Wenn man sich selbst dabei filmt und das Ergebnis sieht, merkt man erst, dass man durch die Blockbuster Besseres gewöhnt ist.“), Fußball („Sport-Redaktionssitzungen stell ich mir immer so vor: Hat sich was getan? Nein. Irgendwas mit Lionel Messi? Nein. Wechselt er zu Bayern? Nein. Das bringen wir groß!“), aber auch Aktuelles wie den Klimawandel („Plastikstrohhalme werden verboten. Brauchen wir Ersatz? Nein. Wozu braucht man einen Strohhalm – um aus der Mitte trinken zu können?“). Tritt Kebekus mit Bart und langen Haaren auf, wird er oft mit Jesus verwechselt. („So auszusehen ist nicht schwierig. Man muss nur warten. Früher sahen alle Männer so aus. Josef, Moses,… Um Jesus zu erkennen, hat man den Heiligenschein erfunden.“)

Fazit: Bekannter als David Kebekus ist eigentlich seine Schwester Carolin Kebekus. Wer weiß, wie lange noch. Denn der 36-Jährige bietet professionelle, abwechslungsreiche deutsche Comedy. Ein heiterer Abend!

David Kebekus wird „oft mit Jesus verwechselt“.

Heiße Pointen im Pullover

„Er ist vom Land, man kennts am Gsicht, man kennts am Gwand“ heißt es in einem Lied von Wolfgang Ambros. Mit diesem Klischee spielt der 24-jährige Kabarettist Benedikt Mitmannsgruber und präsentiert sich auf der Bühne als emotionsloser Lehramtsstudent aus dem Mühlviertel – mit Schnauzer und Norwegerpullover.

In seinem Debütprogramm Exodus erzählt er von seiner Heimatgemeinde Liebenau, der ständigen Kälte, einer alkoholsüchtigen und überalteten Bevölkerung, in der selbst 60-Jährige als große Nachwuchshoffnungen gelten – etwa in der jungen ÖVP. Er berichtet von seinem Opa, der kurz nach dem zweiten Weltkrieg nach Südamerika ausgewandert ist – wegen der Arbeit, und von seinem Papa, der an die tschechische Grenze „Heidelbeeren kaufen“ fährt, weil sie dort „unterm Strich“ billiger sind.

Mitmannsgruber überlegt, beim nächsten Programm einen neuen „Bartstyle“ auszuprobieren.

„95 Prozent der Liebenauer finden das Programm und mich überhaupt nicht lustig. Letztes Jahr habe ich eine Mixed-Show in meinem Nachbarort Weitersfelden organisiert. 200 Zuschauer waren da, in Liebenau wurden null Karten verkauft“, erzählt Mitmannsgruber. Bei Kabarettwettbewerben und in den Städten kommen seine bitterbösen Pointen aber bestens an, im Wiener Kabarett Niedermair etwa spielte er diese Woche vor ausverkauftem Haus. Höchste Zeit also, in ein zweites Bühnenoutfit zu investieren. „Es ist mir sehr peinlich. Aber ich habe wirklich nur den einen Pulli“, sagt Mitmannsgruber. „Ich sehe ihn als Glücksbringer und sprühe ihn vor jedem Auftritt mit Hugo-Boss-Deo ein. Das habe ich von Freunden aus Syrien bekommen. Die schenken mir zum Geburtstag immer ein Deo.“

Fazit: „Mitmannsgruber ist ein sehr weißer, heterosexueller Mann aus der Mittelschicht. Juhu, genau das hat dem österreichischen Kabarett noch gefehlt“, scherzt der 24-Jährige über sich selbst. Aber es ist was Wahres dran – und wer sein Programm Exodus gesehen hat, weiß auch, warum einem der Name Benedikt Mitmannsgruber danach nicht mehr aus dem Kopf geht.

Kabarett ist tot – ein Live-Podcast

Der vielversprechende Titel von Vitus Wiesers und David Stockenreitners erstem gemeinsamen Programm lautet „Kabarett ist tot – ein Kabarett.“ Der eine ist Schauspieler und erzählt, wie er in der Kinderserie „Tom Turbo“ Fritz Fantom gespielt hat – oder auch in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ einen Kellner, den man nicht sieht. Der andere berichtet mit schwarzem Humor von den Vorteilen seiner Behinderung und behauptet, dass Flughafenrollstühle die Stadt wiederspiegeln, in der man sich gerade befindet. „Da kramen die Sicherheitsbeamten so ein rostiges Kriegsversehrtengestell hervor – mit Bettpfanne unten drauf. Das ist sehr praktisch, weil dann ist der Rollstuhl nicht voll Stuhl.“

Wieser und Stockenreitner reden unter anderem im Kabarett Niedermair über Frisuren, Lichtwecker, Hand-Kaffeemühlen, Sexshops, Scheidungen, Jogger, Alexander van der Bellen und das Kabarett an sich.

Außerdem stellen die beiden Kabarettisten die Frage, ob es in dieser verrückten Welt überhaupt noch Kabarett braucht und ob es bald tot sein wird. Fazit: Wenn es so gemacht wird, wie von Wieser und Stockenreitner – dann ja. Ihre gemächlich vorgetragenen Gedanken, Wortspiele und Dialoge brauchen nicht unbedingt eine Kabarettbühne als Medium. Sie würden sich aber ideal als Podcast eignen – zum Nebenbei-Hören und Schmunzeln.

Surreal: John Williams im Wiener Musikverein

Er ist eine Legende und es ist ein großes Glück, dass er noch lebt: John Williams. Der weltberühmte Filmkomponist hat Blockbuster wie Star Wars, Der weiße Hai, Jurassic Park, E.T., Schindlers Liste, Indiana Jones, Harry Potter und viele andere geprägt. 2018 musste er seine Wien-Konzerte wegen Krankheit absagen. Nun konnte sie der bald 90-Jährige nachholen – im Goldenen Saal des Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern. Ein unglaubliches Erlebnis und nahezu historisches Ereignis.

Handyfotos waren laut strengem Publikumsdienst ab dem Schlussapplaus erlaubt bzw. geduldet

„Guten Abend, I sprech nix deutsch“, begrüßte Williams am Dirigentenpult gut gelaunt seine international angereisten Fans. Später erzählte er ein paar Anekdoten auf Englisch über Steven Spielbergs „E.T“ und George Lucas‘ „Star Wars“-Filme. Außerdem stellte er die deutsche Stargeigerin Anne-Sophie Mutter vor, für die er einige seiner Werke arrangiert hatte. Mutter spielte großartig, keine Frage. Trotzdem hätte das Publikum bei Stücken wie „Hedwig’s Theme“ aus Harry Potter wohl gerne weniger Sologeige und mehr Orchester gehört. Absolutes Highlight des Konzerts war das weltberühmte Stars-Wars-Thema. Wann hat man schon die Chance, es in so ausgezeichneter Qualität live zu erleben? Allein der Hörner-Klang – ein Traum! Man kann Williams‘ Worte nur unterstreichen: Es ist herrlich, seine Werke von einem Orchester dieses Kalibers zu hören – „without the distraction of the film“.

Fazit: Tosender Applaus für den Maestro! Auch nach fünf Zugaben herrschte ungebrochene Begeisterung!

Ein „Once-in-a-Lifetime“-Moment für Filmmusikfans