Ein Revolver als Friedensbotschafter? Das funktioniert wohl nur, wenn die Waffe in einem Käfig eingesperrt ist. Der kroatische Konzeptkünstler Vladimir Dodig Trokut verwirklichte diese Idee einst mit einer rund drei Meter hohen Skulptur mit dem Titel „Imagine“ – in Anlehnung an den berühmten John-Lennon-Hit. Das Kunstwerk ist als Statement gegen Waffenbesitz, Gewalt und Krieg gedacht. Seit Juli ist es am Dach der Albertina in Wien zu sehen. „Imagine all the people, livin‘ life in peace…“.
Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder über den Revolver: Gewalt muss „begrenzt werden“.
Von der Kreuzfahrtschiff-Bar „Alk-Aida“, wo sich schon einige „weggesprengt“ haben, bis zur „Ofen-Paarung des Johannes“: Benedikt Mitmannsgruber setzt auch in seinem zweiten Kabarettprogramm „Der seltsame Fall des Benedikt Mitmannsgruber“ (Regie: Petra Dobetsberger) stark auf Wortwitze. Natürlich sind auch sein Schnauzer, der Norweger-Pullover und – leider – die Powerpoint-Präsentation wieder mit dabei.
Mitmannsgruber spielt den gleichnamigen Antihelden aus dem Mühlviertel, der nicht erwachsen werden will. („Meine Mama hat die Unterhose gewaschen, ich bin erst 26 Jahre alt“). Er berichtet von seinem Heimatort, in dem es einen „klassischen Rassisten-Überschuss“, aber keine Ausländer gibt („Sehr viel Nachfrage, kein Angebot.“), von folgenreichen Fehlern ärztlicher Ferndiagnosen und öffnet dem Publikum mit Verschwörungstheorien die Augen. „Wacht auf!“ Top: Selbst in Coronazeiten kann nur empfohlen werden, sich in sein „ungetestetes“ Programm zu wagen, auch wenn er selbst „noch nicht lange am Markt ist“. Der Tagespresse-Autor bringt böse Pointen und Wortwitze im Zwei-Satz-Rhythmus. Ein Höhenflug des Benedikt Mitmannsgruber!
Benedikt Mitmannsgruber bei seiner Wien-Premiere im Kabarett Niedermair: „Wie nennt man im Mühlviertel Veganer? – Trottel.“
Schockmoment bei der heurigen Hollywood in Vienna-Gala. Organisatorin Sandra Tomek ging auf die Bühne und verkündete, dass es aktuell ungewiss sei, ob die Filmmusik-Gala auch in Zukunft stattfinden könne. Danach bedankte sie sich bei ihrem Produktionsteam und bat es auf die Bühne. Der Hilferuf vor Galagästen, Sponsoren und Stadt kam nach Corona und anderen Krisen wenig überraschend. Hollywood in Vienna ist ein Klassik-Großevent, das es irgendwie zu finanzieren gilt.
Schon in den vergangenen Jahren gingen die Ticketpreise nach oben, die inoffizielle Generalprobe am Vortag wurde als Konzert verkauft, die weltweite Fernsehverwertung wurde wichtiger und dadurch der Showanteil der Gala größer. (Heuer mit tanzenden Nonnen, jodelnden Cowboys und Sologesang mit schönen Kleidern bei fast jeder Nummer.) Zudem setzte der Filmpreis auf große Namen wie Hans Zimmer und heuer die Disney-Legende Alan Menken. Frauen wurden bisher nicht ausgezeichnet.
Top: Hollywood in Vienna ist nach wie vor bei weitem das beste Filmmusik-Konzert, das es hierzulande zu erleben gibt. Das liegt an der wunderbaren Akustik des Konzerthauses, an der Qualität des ORF Radio-Symphonieorchesters, an den Solistinnen und Solisten, den Visuals und Lichtstimmungen – und an der großartigen Organisation von Sandra Tomek und ihrem Team. Möge es weitergehen! Es wäre unendlich schade um dieses Konzert.
Große Kunst statt graue Unterführungen: Die Street-Art-Künstlerin Frau Isa hat mit der Spraydose zwei lange Unterführungen neben der U1-Station Kaisermühlen verschönert. Sie möchte damit Fußgängerinnen und Radfahrer aus dem Alltag reißen: „Ich probiere eine Fantasiewelt darzustellen, mit Sachen, die Kinder kennen. Es sind viele einzelne Elemente, wo sich jeder eine Geschichte ausdenken kann.“ Die Reaktionen sind meist positiv. Viele freuen sich über die farbenfrohen Bilder und hoffen, dass sie nicht sofort wieder verschandelt werden. Aber ganz ohne Wiener Grant geht es auch nicht: Eine Passantin etwa beschwerte sich bei Frau Isa über das Sprayen im Tunnel. „Sie tragen ja eine Maske – aber wir müssen die giftigen Gase einatmen!“
Frau Isa zeichnet gerne starke Frauen mit fröhlichen FarbenEine Fantasiewelt mit Alltagsobjekten, die auch Kindern Freude bereiten soll
Romeo Kaltenbrunner muss raus aus der Wohnung. Seine reiche Wiener Freundin hat sich vom zugezogenen Oberösterreicher getrennt. Die Unterschiede waren zu groß. „Sie hat immer gemeint, ich sudere zu viel. Dabei rege ich mich nur gelegentlich auf. Das ist etwas ganz anderes. Sudern ist ein Brainstorming. Da überlege ich laut vor mich hin, worüber ich mich aufregen könnte. Beim Aufregen picke ich mir maximal zwei Themen raus, untermauere sie mit recherchierten Fakten, gebe noch Emotionen und Selbsterlebtes dazu. Das ist höchst wissenschaftlich!“
Kabarettist Romeo Kaltenbrunner regt sich in seinem ersten Soloprogramm „Selbstverliebt“ herrlich unterhaltsam auf – etwa über die Unterschiede zwischen Land und Stadt („Dinge, die man nur in der Stadt braucht: Individualtität, Führerschein, FFP2-Maske…“) oder über die Fragen nach seiner Herkunft bei Bewerbungsgesprächen („Bei den ‚österreichischen‘ Produkten im Regal nimmt es die Lebensmittel-Handelskette auch nicht so genau. Da wird die Willkommenskultur gelebt“). Fazit: Ein großartiges Debüt! Besonders für Landmenschen, die in die Stadt gezogen sind – sehr empfehlenswert!
Romeo Kaltenbrunner – der Sieger der Ennser Kleinkunstkartoffel 2022 – hat im Kabarett Niedermair sein erstes Soloprogramm „Selbstverliebt“ auf die Bühne gebracht
„Gehen wir Stones schauen, bevor es zu spät ist“, war das Motto vieler Fans, die am Freitag ins Ernst-Happel-Stadion pilgerten. Zum 60er-Bandjubiläum gaben The Rolling Stones ein Best-of-Konzert – und mit einem Ticket ab 130 Euro konnte man dabei sein. Es wurde viel geboten: Bilderbuch spielte als Vorband. Als Vorband! Frontman-Legende Mick Jagger (78) war topfit und bestens gelaunt, ebenso sein „Hawara“ Keith Richards (78). Die Akustik im Stadion war erstaunlich gut, ukrainische Kinderchöre traten auf und das Finale wurde gekrönt mit „(I Can’t Get No) Satisfaction“. Die Fans, die fast alle „Zungen-T-Shirts“ trugen, waren begeistert. Sogar schon vor dem Konzert – denn Mick Jagger gab sich volksnah, winkte seinen Hardcore-Fans vor dem Imperial-Hotel, posierte mit einer Dirndl-Poltergruppe im Burggarten und trank Dosenbier am Würstelstand bei der Albertina. „Thanks for a great night Vienna“, freute sich Jagger. Sehr sympathisch!
The Rolling Stones begeisterten in Wien rund 56.000 Fans
Ein warmer Sommerabend. Nach einigen Takten Donauwalzer stimmt Rainhard Fendrich gemeinsam mit der Philharmonie Salzburg seine Hymne „I am from Austria“ an. Das Schloss Schönbrunn wird rot-weiß-rot beleuchtet… Ist das zu kitschig? „Die genaue Definition von Kitsch ist ‚unecht‘ – und das sind wir wahrhaftig nicht“, sagte Fendrich. „Ergriffen, wenn man da stehen darf“ war jedenfalls Dirigent Christian Kolonovits.
Fendrichs Gesamtwerk war angekündigt, drei Stunden dauerte das Open-Air-Konzert am Sonntagabend. Es hätte ein außergewöhnliches Live-Erlebnis sein können. Doch wie auch bei anderen Schönbrunn-Events war die Musik viel zu leise. Wenn man statt Orchester die Fans einige Sitzreihen weiter leise reden hört, kommt wenig Stimmung auf. Dafür war die Übertragung von ORF III top. Am Fernseher kann man auch lauter drehen.
Schön, aber leise: Rainhard Fendrichs Schönbrunn-Konzert
„Überschnurchdittlich“ heißt das zweite Soloprogramm von Elli Bauer. Das Leben der Kabarettistin ist außer Kontrolle. Sie hat den Fugenaufsatz ihres Staubsaugers verloren! („Wer verliert sowas? Und wo?“) Elli sucht etwas, das ihr Halt gibt – wie ein Eislaufpinguin. Sie hat viel probiert, täglich Ö1 hören zum Beispiel („Baldrian der Nation“). Aber selbst da kann sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass alles so bleibt, wie es schon immer war. „Hip-Hop auf Ö1 ist, wie wenn dir jemand bei McDonalds einen Apfel in die Hand drückt.“
Noch dazu ist Elli aus der Kirche ausgetreten und muss sich daher ihren eigenen Festivitätenkalender zusammenstellen. „Was machst du zu Weihnachten als Atheistin?“ Auch kirchlich heiraten wird schwierig, aber Elli ist davon ohnehin nicht überzeugt: „Der Vater hat die Tochter im Arm und übergibt sie einem anderen Mann – wie sich das so gehört fürs 21. Jahrhundert!“
Elli Bauer lieferte bei ihrer Premiere in der Wiener Kulisse viele Erkenntnisse wie: Je mehr wir uns aufregen, desto mehr rutschen wir vom Dialekt (Des derf jo ned woar sei) ins Hochdeutsch (DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!)
Fazit: Elli Bauer lässt in ihrem zweiten Programm die Gitarre weg und erzählt stattdessen fast flüsternd vom gesellschaftlichen Wunsch nach einfachen Antworten, wie wir daran scheitern, es aber nicht wahrhaben wollen. Ein Plädoyer gegen das Perfektsein („Ein Kinder Pingui ab und zu ist voll ok“, „Deadlines sind Vorschläge“). Ein überschnurchdittlicher Kabarettabend!
In London ist ein verschollen geglaubtes Gemälde von Tizian aufgetaucht: „Die büßende Magdalena“ – ein oft gemaltes Thema des berühmten venezianischen Malers. Im April ist das Bild von der Kunsttransportfirma Otrans streng geheim nach Wien gebracht worden. Rund 25 Stunden hat die Autofahrt gedauert. Am 11. Mai wird das Meisterwerk im Dorotheum versteigert. Schätzwert rund 1,5 Millionen Euro. Top: Vor der Versteigerung kann die „büßende Magdalena“ kostenlos im Palais Dorotheum besichtigt werden.
Tizian soll zahlreiche Versionen der „büßenden Magdalena“ gemalt haben.Das Gemälde war rund 150 Jahre in Privatbesitz „verschollen“.
Eine Laudatio auf Josef Hader zu halten ist – vorsichtig ausgedrückt – eine Herausforderung. Kabarettist Hosea Ratschiller wurde beim Österreichischen Kabarettpreis 2022 gebeten, genau das zu tun. Er musste „das teuflische Genie“ Josef Hader „gratis loben“, obwohl der Ausgezeichnete bei der Verleihung selbst nicht einmal anwesend war!
Ratschiller erzählte, dass „Josef“ immer wieder in „verrauchten, versifften Comedykellern“ auftaucht, um sich junge Kolleginnen und Kollegen anzuschauen. Warum? „Weil er sich für seinen Beruf interessiert!“ Diese Niederschwelligkeit und auch das Tiefstapeln sei generell typisch für diese Form der Kleinkunst. „Kabarett lebt davon, dass wir so tun, als wäre es nichts Besonderes.“ Ratschiller ist überzeugt: Josef Hader könnte in weit größeren Sälen spielen und 120 Euro für eine Karte verlangen. Aber er macht das nicht, „weil er seinen Beruf mag und lieber für ein Publikum spielt, als für eine Zielgruppe.“
Die Gewinner des Österreichischen Kabarettpreises 2022: Josef Hader (Hauptpreis), Malarina (Förderpreis), Berni Wagner (Programmpreis), Science Busters (Publikumspreis).