Dort, wo eben noch blanke Handflächen über die Trommeln flogen, war plötzlich ein Drumstick im Spiel. Singular. Zwei wären normal, einer ist Jazz. Willkommen im Wiener Konzerthaus, wo gestern das US-amerikanische Brad Mehldau Trio mit Eigenkompositionen, aber auch Beatles- oder John Coltrane-Covers begeisterte. Von Beginn an war den Gesichtern der Gäste trotz FFP2-Maske die Euphorie abzulesen – zu lange die Abstinenz eines echten Klangerlebnisses. Live-Streams sind eben nicht Live-Musik!

Die 3-G-Kontrolle am Eingang war ebenso schnell erledigt wie die Sitzplatz-Zuweisung. Das einfache Bühnenbild bot diesmal einen starken Kontrast zum pompösen Konzertsaal. Ein schwerer Vorhang verdeckte Gold und Marmor, setzte geschmackvoll ausgeleuchtet die drei Musiker aber perfekt in Szene. Was für Musiker! Beim Betreten der Bühne wirkten sie noch, als wäre es ihnen unangenehm, das Publikum bei seinen Gesprächen zu stören. Sobald sie ihre Instrumente ergriffen, war es vorbei mit der Bescheidenheit. Jeder Griff saß. Ob am Klavier, am Bass oder an den Drums: Die Musikerhände waren stets flinker als das Auge. Nicht nur einmal stellte man sich die Frage, woher dieser oder jener Klang auf einmal kam. Kein Duett, kein Solo, ohne, dass es die pausierenden Künstler nicht augenscheinlich in den Fingern juckte. Energie, die auf die Zuseher übersprang: schnippende Finger, wippende Beine, nickende Köpfe, Zwischenapplaus, Applaus. Endlich wieder!
